Dienstag, 26. Juni 2018

Schockschwere Not




















In vielerlei Hinsicht sind Mourn eine junge Band, der man eigentlich nur das Beste wünschen kann. Ihre Homezone El Maresme in Katalonien ist nicht gerade eine Metropole des internationalen Top-Geschmacks, trotzdem haben sie es in den vergangenen Jahren in alle wesentlichen Musikformate der Erde geschafft. Größtenteils wahrscheinlich, weil sie einfach so cool sind. Nicht nur repräsentieren sie mit ihrer Musik Ideale gegen Sexismus und Gentrifizierung (was extrem cool ist), vor allem haben sie sich damit mit ihrer bisherigen Arbeit eine ziemlich autarke klangliche Nische gebuddelt, in der sie die unangefochtenen ChefInnen sind. Wesentlich ausschlaggebend dafür war vor zwei Jahren ihr zweites Album Ha, Ha, He, das das Quartett stilistisch erst so richtig ausdefinierte und das auf eine Weise, die zumindest mich ziemlich schockte: Der scharfkantige, brüllige und fragmentarische Postpunk von Mourn war für mich seinerzeit eine ziemliche Offenbarung und obwohl sich die SpanierInnen dafür durchaus bei Bands wie Sleater-Kinney, den Pixies oder Sonic Youth bedienten, hatten sie doch eine ganz eigene Art, diese Songs zu schreiben und zu performen. Die vier KünstlerInnen klangen so rabiat und brutal, wie man das von einer jungen Rockband erwartet, es leider aber eher selten hört. Klar, dass Ha, Ha, He dadurch auch eines meiner Lieblingsalben der damaligen Saison wurde und bis heute viel von seiner Faszination behalten hat. Ein direkter Nachfolger hat es deshalb bei mir schon von vornherein nicht wirklich leicht. Denn nicht nur erwarte ich mindestens das gleiche Maß an allgemeiner Qualität in den Songs wie beim Vorgänger, auch muss die neue Platte den Überraschungseffekt kompensieren, der zuletzt viel ausmachte, mittlerweile aber logischerweise futsch ist. Wenig hätte ich dabei damit gerechnet, dass mich Mourn erneut an der Nase herumführen würden. Wobei es diesmal auch ein paar Anläufe gebraucht hat. Als ich Sorpresa Familia zum ersten Mal hörte, war ich zunächst nämlich schwer enttäuscht: Wo war hier das tolle, clevere Songwriting, die pointierten Gesangsperformances, die pappige Produktion? Das alles waren für mich Voraussetzungen für die Hochwertigkeit eines Projektes dieser Band, ohne die es einfach nicht funktionierte. Doch wo ich mich durch den ersten Hördurchgang noch quälte, machte der zweite schon ein bisschen mehr Spaß und schon ab der Hälfte war ich wieder im gleichen Modus, den ich 2016 bei Ha, Ha, He hatte. Die gleiche spritzige Art, Gitarre zu spielen, die gleichen unverblümten Vocals, der gleiche knochige, grantige Sound fand sich hier durchaus, nur mit anderen Parametern. So ist beispielsweise die Produktion hier wesentlich brutaler und greifender als vor zwei Jahren, als noch ein eher muffiger Indie-Teppich das Geschehen dominierte. Das Mixing hier gibt viele Höhen wieder und filtert wenig raus, weswegen die Songs einem am Anfang ziemlich ins Gesicht springen können. Noch dazu wirkt die Komposition diesmal gerne etwas schlampig, auch weil der Gesang wesentlich plärriger ist, was den anfänglichen Schock nicht gerade mildert. Sorpresa Familia ist ein Album, an das man sich erstmal gewöhnen muss, aber ist es erstmal soweit, ist man voll dabei. Dann ist es - zumindest bei mir - wieder wie vor zwei Jahren, als Ha, Ha, He mir das Fleisch vom Gesicht fetzte. In mancherlei Hinsicht sogar noch besser, weil klanglich optimiert und insgesamt vier Minuten länger. Vor allem setzt es aber die bisher echt großartige Diskografie der SpanierInnen großartig fort und macht es mir leicht, der Bande auch weiterhin die Daumen zu drücken. Denn wo das herkommt, gibt es noch viel zu holen. Schließlich sind die meisten in der Gruppe gerade Mal 20 geworden...






Persönliche Highlights: Skeleton / Fun at the Geysers / Orange / Doing It Right / Thank You For Coming Over / Divorce / Sun

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen