Samstag, 9. Juni 2018

Nilsson Gets the Blues





















Ich persönlich finde es ja eine tolle Sache, dass die Platten von Graveyard mittlerweile wieder Spaß machen. Es wäre auch schade gewesen um eine der dreckigsten und ehrlichsten Hardrock-Gruppen dieser Dekade, wenn der fette Deal mit Nuclear Blast sie damals ebenso verschluckt hätte wie er viele Bands verschluckt hat. Stand 2018 ist die Aussicht darauf, dass die Schweden jemals ein zweites Hisingen Blues machen werden, zwar gering, doch wenigstens haben sie auf dem Weg bis hierhin ihre musikalische Seele wiedergefunden. Und nachdem ihr letztes Album Innocence & Decadence 2015 ihnen den Weg zurück in ihre beste klangliche Verfassung ebnete, war ich gespannt darauf, wie dieser nun fortgesetzt werden würde. Wobei Peace vielleicht keine so simple Rolle einnimmt, wie es zunächst scheint. Auf den ersten Blick ist die Sachlage hier klar: Die neue LP ist der eindeutige Nachfolger des letzten Projekts, setzt die starke Blues-Orientierung der Band eins zu eins fort und macht das im Rahmen seiner Möglichkeiten auch gut. Die Riffs sind nach wie vor unglaublich fett, Sänger Joakim Nilsson rockröhrt was das Zeug hält, ab und zu gibt es eine Ballade und produziert ist das ganze dabei mit ordentlich Pampe auf allen Kanälen und trotzdem richtig schön laut. Graveyard wie man sie kennt und liebt. Wenn man allerdings etwas tiefer in die Kiste schaut, machen sich einige Risse im Gefüge der Schweden bemerkbar. So war mir beispielsweise völlig unbekannt, dass die Formation zwischen 2016 und 2017 kurzzeitig aufgelöst war und seit ihrer Reunion bisher noch ohne festen Drummer spielt. Ganz ohne Turbulenzen scheint es also auch weiterhin nicht zu gehen und in gewisser Weise merkt man auch den Songs hier eine gewisse Instabilität an. Und zwar nicht nur dadurch, dass sie stilistisch nicht wirklich fortschreiten, sondern auch in sich selbst. Peace ist vielleicht das erste Album von Graveyard, das ich als lyrisch bezeichnen würde, insofern das Texte hier eine wesentlich größere Rolle spielen als zuvor. Schon Songtitel wie Please Don't und Walk On sind sehr viel direkter formuliert als früher und die Ausführungen erzählen von schweren Freundschaften, Beständigkeit und Enttäuschungen. Man könnte sagen, dass Joakim Nilsson hier tatsächlich ein bisschen den Blues singt. Die musikalische Neigung der Band dahin ist ja auch an sich nicht neu, nun findet man sie auch inhaltlich wieder. Wobei ich ganz klar diffenzieren muss: Bloß weil es hier mehr um Texte geht, heißt das nicht gleich, dass diese auch automatisch besser sind. Tatsächlich würde ich sagen, dass sich Nilsson durch diese sehr ehrliche Art und Weise des Songwritings auch verwundbar macht und einige gekrampfte und schmalzige Passagen dabei nicht zu kurz kommen. Ein Neil Young ist an dem Schweden eben nicht gerade verloren gegangen, aber das ist auch gar nicht so wichtig. Allein dass dieser Schritt hier stattfindet ist schon ein künstlerisches Statement, das ich von Graveyard nicht unbedingt erwartet hätte. Und eines, das man auf musikalischer Seite manchmal ein wenig vermisst. Denn obwohl Peace klanglich etwas aus der Proto-Metal-Ecke abrückt, in die man die Formation noch immer gerne steckt, bleibt alles in sehr gewohntem Territorium. Um ehrlich zu sein erinnert mich das, was hier kompositorisch passiert einfach ein bisschen zu sehr an die Alben Eins bis Vier von Led Zeppelin, um das unerwähnt zu lassen. Die leichte Prog-Schlagseite, verstärkte Folk-Elemente, auf der anderen Seite berstige Rocksongs wie the Fox und It Ain't Over Yet: Auffällige Ähnlichkeiten wären untertrieben. Womit wir hier gefährlich nah an den Greta Van Fleet-Knackpunkt kommen, an dem aus Inspiration Kopismus wird. Ein Potenzial, das Graveyard schon immer hatten, bisher aber stets mit gutem Songwriting ausbügeln konnten. Hier fällt das zum ersten Mal ein bisschen aus und plötzlich werden Plagiarismen deutlich. Ein weiterer bitterer Wermutstropfen an einem Album, das an sich gar nicht mal so verkehrt ist. Denn abgesehen von ihren zeitweise holprigen Lyrics und den etwas zu großzügigen Zep-Anleihen ist Peace eigentlich keine schlechte LP. Zumindest mit ihrem doch ziemlich soliden Vorgänger kann sie allemal mithalten und die typischen Qualitäten eines Graveyard-Projekts sind auch hier wieder in üppiger Ausprägung vertreten. Und ein solches Unterfangen direkt nach einer Auflösung und ohne festen Schlagzeuger durchzuführen, ist schon eine Leistung. Hoffentlich ist es diesmal dann das letzte Übergangsalbum der Schweden, bevor sie vielleicht bald endlich mal wieder richtig im Saft stehen. Denn das nochmal eine richtig gute Platte in den Knochen dieser drei Musiker steckt, merkt man hier definitiv weiterhin.






Persönliche Highlights: It Ain't Over Yet / See the Day / Please Don't / Walk On / Del Manic / Bird of Paradise

Nicht mein Fall: the Fox

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