Mittwoch, 27. Juni 2018

Zwei außer Rand und Band




















Dass Kanye West dem Jahr 2018 mal wieder unmissverständlich seinen Stempel aufgedrückt hat, ist mittlerweile eine klare Sache, doch finde ich, dass er diesmal ein bisschen auf eine schönere Art und Weise tut als zuletzt immer. Denn obwohl Yeezy die Gemüter auch dadurch erhitzte, dass er in groß angelegten Interviews jede Menge Blödsinn redete und eine Leadsingle ohne Lyrics veröffentlichte, sind es vor allem musikalische Impulse, durch die er in den vergangenen Monaten aufgefallen ist, und ziemlich gute noch dazu. Mit Ye hat der Rapper sein vielleicht bestes Solo-Projekt in dieser Dekade veröffentlicht, vor allem hat er mit seiner noch immer laufenden Mini-Album-Serie ein neues künstlerisches Outlet für sich etabliert, das extrem spannend ist. Die Idee, statt eines groß angelegten Longplayers viele kleine 20-Minuten-Platten zu veröffentlichen, nutzt er bisher dafür, sich auf ganz verschiedene Weisen kreativ auszudrücken, sowohl als MC als auch als Produzent. Und Kids See Ghosts, sein kollaboratives Release mit Kid Cudi, ist nur ein weiteres Kapitel davon. Das es existiert, ist in der Theorie schonmal eine ziemlich coole Sache. Zum einen weil es schön ist, diese beiden langjährigen Partner wirklich mal so intensiv zusammen an einem Projekt arbeiten zu hören, zum anderen weil beide aus ziemlich unterschiedlichen künstlerischen Richtungen kommen, was im Vorfeld sehr dafür sprach, dass ihr Material ziemlich kreativ werden würde. Und nach den ziemlich coolen letzten Stücken der Reihe war ich zuversichtlich, dass das auch wieder gute Musik bedeuten würde. Wer das ebenfalls erwartet hat, dessen Euphorie muss ich an dieser Stelle erstmal dämpfen: Kids See Ghosts ist von allen Platten die bisher gewöhnungsbedürftigste. Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie schlecht ist, sie ist nur ziemlich schwierig. Und größtenteils hat das eben mit der Tatsache zu tun, dass hier zwei unglaublich kreative Individuen aufeinander treffen, die sich in ihrem Enthusiasmus auch kein bisschen zurückhalten. Der Schöpfer von Speedin' Bullet 2 Heaven trifft auf den Schöpfer von the Life of Pablo, da weiß man eigentlich, was man bekommt. Bisweilen ist das eben anstrengend und nicht immer gehen alle Experimente auf. So ist beispielsweise der Opener Feel the Love mit Pusha T eher ein ziemliches Gemetzel, bei dem besonders Kanye mit seinen wüsten Scat-Parts mehr als ein bisschen übertreibt und auch Fire ist mitunter eher ein wenig cringy. Von Geniestreichen kann man dabei eher selten sprechen, auch wenn man den beiden Künstlern anrechnen muss, dass sie viele Elemente moderner Popmusik sehr subversiv verwenden. Wobei das eben nicht gleich einen guten Song macht. Die kommen hier eher im hinteren Teil der Platte, in der sich Kanye und Cudi wenigstens ein klein wenig beruhigen. Hier zeigen Tracks wie die Titelnummer oder auch die melancholische Cudi Montage, was die beiden gemeinsam vollbringen können und das mehr in ihnen steckt als nur provokante Exzentriker. Doch obwohl die Stücke ziemlich gut sind, würde ich von keinem der sieben sagen, dass hier in irgendeiner Form ein Meisterwerk geschaffen wurde. Die besten Songs sind wie schon bei Ye welche, die eher die früheren Stile beider Künstler reanimieren und die man daher schon ein bisschen kennt. Die Momente, die hier wirklich mal die experimentelle Keule auspacken, sind meistens eher so lala und machen zwar viel anders, aber wenig gut. Abgesehen davon tragen die geladenen Gäste, die immerhin Yasiin Bey, Pusha T und Ty Dolla $ign heißen, absolut nichts zum Eindruck des Projekts bei und verschwimmen insgesamt komplett in ihren jeweiligen Tracks. Großartig ist Kids See Ghosts also in keinster Weise. Dennoch kann ich sagen, dass die Platte zumindest qualitativ an die beiden letzten Kanye-Episoden anschließt und trotz einger sehr fragwürdiger Elemente eine solide Gesamterscheinung geworden ist. Für die lange antizipierte Kollaboration zwischen Kanye West und Kid Cudi hätte man sich vielleicht etwas mehr Pathos und Trara vorgestellt, aber auch ohne all diese Dinge ist das hier eigentlich echt okay. Damit gelingt es Kanye zwar immer noch nicht, mich mit einem seiner neuen Releases wirklich zu überzeugen, aber wieder steht unterm Strich, dass es immerhin das beste ist, was er seit langer Zeit veröffentlicht hat. Und davon gibt es jetzt zumindest noch eine Platte mehr.






Persönliche Highlights: Freee (Ghost Town Pt. 2) / Reborn / Kids See Ghosts / Cudi Montage

Nicht mein Fall: Feel the Love

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