Freitag, 15. Juni 2018

Der Künstler an seinem Arbeitsplatz




















Daniel Lopatin aka Oneohtrix Point Never ist im Kontext der heutigen elektronischen Musik definitiv einer der ganz großen. Wenn man mich fragt, zählt er für die letzten zehn bis fünfzehn Jahre zu den kreativsten, fleißigsten und einflussreichsten Musiker*innen seiner sehr experimentellen Form von Electronica, den man inzwischen schon mal in einer Reihe mit Aphex Twin, Matmos oder Orbital nennen kann. Seine Arbeit ist immer unberechenbar, immer an der Grenze stilistischer Ausdrucksweisen und dabei trotzdem nie zu verkopft, ganz zu schweigen davon, dass dieser Typ bereits die Grundlagen für ganze Subgenres gelegt hat. Seine Platten einfach zu besprechen, geht also Stand 2018 immer mehr mit einem Aspekt der Götzenanbetung einher, in den man oft zu verfallen gefährdet ist. Denn obwohl Lopatin ganz klar ein genialer Künstler ist, gibt er selbst häufig zu, dass er gerne auch mal irgendwelchen Murks veröffentlicht. Und weil man eben manchmal nicht wirklich trennen kann, was am Ende ernst gemeint ist und was nicht, neigt man mitunter dazu, den größten Müll als nächstes Meisterwerk auszurufen. Vor zehn Jahren entstand aus so einem Missverständis zum Beispiel die Vaporwave-Bewegung, die mehr oder weniger die ganze erste Hälfte der aktuellen Dekade musikalisch beeinflusste. Der Grund, weshalb ich das erwähne, ist ganz einfach der, weil auch von seinem neuen Album wieder diese Gefahr ausgeht: Age Of ist ein bestenfalls okayes Projekt, das aber definitiv dazu verleitet, sehr überdimensioniert wahrgenommen zu werden. Ganz einfach deshalb, weil hier eben der Name Oneohtrix Point Never drauf steht und der sich ja sicher eine Menge bei dieser LP gedacht hat. Schon allein der Titel und das Cover sind mit Symbolik und einer starken Ästhetik überfrachtet, das ausgekoppelte Video zu Black Snow steht dem in nichts nach. Es muss also quasi etwas hinter dieser Platte stecken. Nur dass es eben genau so nicht ist. Zumindest wenn es nach höherer Bedeutung geht, ist dieses Album eigentlich gar nicht so speziell. Sicher, klanglich ist Lopatin hier gewohnt weird und experimentell unterwegs, doch abgesehen davon ist Age Of eigentlich ziemlich 'normal'. In meinen Augen versteht sich die LP als eine Art Werkschau verschiedener Stile, die der Produzent hier ansteuert. So steht beispielsweise der eröffnende Titeltrack sehr im Stil des retrofuturistischen Sounds eines James Ferraro, We'll Take It ist eine spannende Mischung aus Plunderphonics und Proto-Electronik, Manifold und the Station spielen verstärkt mit organischem Instrumentarium und Black Snow könnte man sogar als Lopatins Versuch beschreiben, eine R'n'B-Nummer zu schreiben. Was hier passiert, ist also im großen und ganzen sehr heterogen. Und das spiegelt sich natürlich auch in der Qualität dieses Albums wieder. Manche Dinge, die der Künstler hier versucht, gehen wunderbar auf, andere eher weniger. Ebensowenig, wie man einen Gesamtklang oder einen kompositorischen Bogen ausmachen kann, fällt es schwer, die gesamte LP als gut oder schlecht einzuschätzen. Von mittelmäßigen Soundskizzen und abstrusen klanglichen Clashs bishin zu ausgefuchsten Einzelkunstwerken und herrlichen Avantgarde-Frickeleien ist hier eigentlich alles dabei und letztendlich ist das alles am Ende auch nicht mehr als die Summer seiner Teile. Obwohl Lopatin dabei keinen wirklich unhörbaren Song hier eingebaut hat, würde ich unterm Strich deshalb sagen, dass Age Of eines seiner schwächeren Projekte der letzten Jahre ist. Was aber eigentlich auch nichts über die künstlerische Entwicklung seines Schöpfers aussagt, denn der macht bekanntermaßen eh, was er will. Und wenn es diesmal eine wüste Aneinanderreihung struktureller Experimente ist, dann ist das eben so. Was als nächstes kommt, kann man am Ende eh wieder schlecht sagen. Wenn es nach mir ginge aber vielleicht doch lieber was mit etwas mehr Rückgrat.






Persönliche Highlights: Manifold / the Station / Toys 2 / Black Snow / Warning / We'll Take It / RayCats / Last Known Image of A Song

Nicht mein Fall: -

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