Donnerstag, 14. Juni 2018

Rehabilitiert




















Mittlerweile sollte in Bezug auf Kanye West eines klar sein: Seine Art, Alben zu veröffentlichen hat immer mehr etwas von seismischer Aktivität. Dass eines kommt, merkt man schon Monate vorher daran, dass das Internet mehr oder weniger vibriert. Das Comeback des Rappers auf Twitter im April diesen Jahres kündigte es schon mehr oder weniger an, der Content dieser Tweets säte Spekulation und spätestens als sich Yeezy ein paar Wochen später in diversen Interviews öffentlich blamierte, konnte man sicher sein: Eine neue LP war fertig. Um genau zu sein, diesmal waren es sogar mehrere. Denn statt hier lediglich ein lumpiges Soloprojekt zu promoten, ist es vielmehr eine ganze Kampagne, die er gerade veröffentlicht. Als Appetizer kam Ende Mai das von ihm produzierte neue Album von Pusha T, als zweites, zentrales Element seine eigene neue Platte und als Sahnehaube zum Abschluss eine Kollaboration mit Kid Cudi. Den Frühsommer 2018 hat Kanye damit ganz sicher auf seiner Seite. Und was mich vor allem freut ist ja, dass die ganze Sache diesmal nicht so eine Blase geworden ist wie zuletzt bei the Life of Pablo und Yeezus. Im Vergleich zum PR-Aufwand der letzten Wochen und Monate scheinen die Ergebnisse hier ganz vernünftig geworden zu sein, was ich bisher auch bestätigen kann. Zwar habe ich mit Pusha Ts Daytona durchaus so meine Probleme, allerdings sind diese weniger musikalischer als Marketung-technischer Natur (mehr dazu im Artikel) und Kanye zeigte sich dort endlich mal wieder als der versierte Produzent, als den ich ihn immer noch am meisten schätze. Und ähnliches kann ich nun auch von Ye berichten. Ähnlich wie bei Pushas Projekt reichen auch hier etwas mehr als 20 Minuten, um alles rüberzubringen und der Fokus liegt dabei ganz klar auf den klassischen Qualitäten des Künstlers. Leute, die sich in den letzten Jahren immer wieder den "old Kanye" zurückgewünscht haben, werden dieses Album definitiv als Erlösung feiern, denn mehr als alles andere ist das hier die Arbeit eines Rappers und weniger die eines kreativen Kuratoren, eines Sampling-Genies oder eines selbsterklärten Halbgottes. Die Konzentration liegt hier ganz klar auf inhaltlichen Aspekten und ästhetisch geht Yeezy hier ein ganzes Stück zurück zu den Wurzeln. In klanglicher Hinsicht erinnert mich vieles an dieser Platte an die Periode von Graduation, allerdings ganz klar mit einer Attitüde, die Kanyes Weltbild im Jahr 2018 repräsentiert. Viele der Songs sprechen die Themen an, die auch schon auf Twitter und in Interviews Themen waren: Pharmakonzerne, psychische Instabilität, die Freundschaft zu Donald Trump und eine eigenartige Verschwörungstheorie über Sklaverei und freien Willen. An dieser Stelle kommen wir dann auch an den sicherlich schwierigsten Punkt der LP: Die Ansichten dieses Künstlers sind die Ansichten dieses Künstlers und ich muss ganz offen sagen, dass ich viele davon oberflächlich ziemlich scheiße finde. Allerdings bin ich auch schon lange der Meinung, dass die meisten seiner provokativen Aussagen eher dazu dienen, genau den Aufschrei zu erzeugen, den sie in den letzten Wochen erzeugt haben, weshalb ich darauf auch nicht wirklich viel gebe. Diese Aussagen sind die Art und Weise, wie Kanye West sich selbst promotet und nicht wesentlich mehr. Ihm zu unterstellen, ein Aluhutträger oder Neofaschist zu sein, liegt mir also ziemlich fern. Darüber zu lachen ist in meinen Augen die beste Reaktion. So versaut man sich am Ende auch nicht selbst ein Album, das in allen weiteren Punkten eine ziemliche Rehabilitierung der Musik dieses Typen ist. Ye ist zwar bei weitem kein Meisterwerk und an manchen Stellen wird mir Kanye fast wieder zu traditionell, dennoch macht er hier meiner Meinung nach seinen besten Longplayer seit My Beautiful Dark Twisted Fantasies. Und dass ich von ihm nochmal eine Platte erlebe, die so klingt wie diese, hätte ich in meinen wildesten Träumen nicht erwartet. Für gut befinde ich das hier also allemal und ich muss mal wieder sagen, dass es diesem Künstler gelungen ist, mich gewaltig an der Nase herumzuführen. Was nicht zuletzt auch dafür sorgt, dass ich wieder gespannt bin auf seine Musik. Und ein weiteres Album gibt es ja in diesem Jahr noch...






Persönliche Highlights: I Thought About Killing You / Yikes / All Mine / Ghost Town

Nicht mein Fall: -

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