Sonntag, 17. Juni 2018

Lachen ist die beste Medizin




















Kennt ihr auch diese Leute, von denen man einfach nur genervt ist, weil man weiß, dass sie immer Recht haben? Die man deswegen auch irgendwann mal sympathisch fand, aber die mittlerweile eigentlich nur noch ätzend sind, weil sie immer alles besser wissen? In künstlerischer Hinsicht ist Josh Tillman aka Father John Misty für mich zu so einer Person geworden. Es gab mal eine Zeit, da gefiel mir seine Musik gerade wegen ihres schnippischen, satirischen schwarzen Humors und ihrer treffsicheren Wenn-man-trotzdem-lacht-Ästhetik. Tillman war schon immer ein guter Beobachter von Zuständen und diese pointiert zu beschreiben, ist seit jeher der Selling Point seiner Songs. Wenn man sich ein Album wie I Love You Honeybear von ihm anhört, weiß man, wovon ich rede. Und das alles war auch schön, solange man dabei am Ende immer noch lachen konnte. Allerdings ging seine Diskografie zuletzt immer mehr dazu über, einem selbiges im Hals stecken zu lassen, weil seine Pointen einfach unglaublich finster wurden. Die LP Pure Comedy vom letzten Jahr steht exemplarisch für diese Entwicklung als eine Platte, deren Humor quasi apokalyptisch geworden ist und hinter deren satirischen Kommentaren sich die gesamte Verkorksheit der modernen Gesellschaft aufbaut. Eigentlich sollte sowas ja ein starkes künstlerisches Statement sein, doch für mich persönlich ging dieses Vorhaben mehr oder weniger komplett nach hinten los. Das Album war pretenziös, vollkommen überladen und musikalisch ziemlich dröge, ganz davon abgesehen, dass man danach ein paar Monate lang schlechte Laune haben konnte. Und gnadenlos wie er ist, legt Josh Tillman gleich im Jahr danach seine nächste LP nach. Und obwohl der Künstler im Vorfeld sehr deutlich klar machte, dass God's Favorite Customer inhaltlich eine ganz andere Richtung einschlagen würde, hatte ich schon Wochen vor der Veröffentlichung keinen Bock mehr darauf. Vorab-Singles wie Mr. Tillman und Dissapointing Diamonds Are the Rarest of Them All gaben genau das gleiche Narrativ vor wie Pure Comedy, mit dem feinen Unterschied, dass sich die Apokalypse diesmal innerhalb der Psyche des Songwriters abspielte. Und wenn ich eines absolut nicht vermisste, dann war es ein Emo-Album von Father John Misty. Die Voraussetungen für diese Platte bei mir waren also denkbar ungünstig. Nachdem ich das Ergebnis nun aber auch vollständig gehört habe, muss ich sagen, dass sich Father John Misty hier wieder ein bisschen fängt. God's Favorite Customer ist zwar lange kein neues Meisterwerk von Tillman, aber immerhin kein ganz so schlimmer Downer wie der Vorgänger. Was zum größten Teil daran liegt, dass hier auch wieder eine gesunde Portion Selbstironie dabei ist. Wenn der Künstler in Mr. Tillman über sein völlig absurdes Dasein als Profimusiker singt und seine Ausführungen als Gespräch mit einem genervten Hotelmanager inszeniert, sitzt der Humor wieder wie damals auf Honeybear und man driftet glücklicherweise nie in existenzialistisches Territorium ab. Auch die Momente, in denen hier Reaktionen auf Pure Comedy reflektiert werden, sind ziemlich witzig, nicht zulezt weil sie sich auch auf die Enstehung des aktuellen Albums beziehen und dabei ziemlich meta werden. Die textliche Ebene ist aber tatsächlich nur ein Punkt, in dem Father John Misty hier aufholt. Der wichtigste Grund, warum ich diese Platte mehr mag als den Vorgänger, dürfte nämlich der sein, dass Tillman auch musikalisch wieder etwas mehr anzieht. Sicher, die sehr aufwändig produzierte Art von Country-Balladen, die auch zuletzt schon vorherrschend war, hat sich hier nur minimal verändert, doch gibt es diesmal wenigstens ein bisschen mehr Action. So zum Beispiel die großartige Glamrock-Hook im Opener oder das sehr rockige Date Night. In den besten Momenten klingt God's Favorite Customer dabei wie eine späte Beatles-LP, manchmal hat die Produktion allerdings auch die wurstige Art eines Eels-Albums an sich. Wie gesagt, ein Meisterwerk ist das hier nicht. Es ist lediglich die Überzeugungarbeit, dass man mit Father John Misty wieder lachen kann. Und ein bisschen sorgt das tatsächlich dafür, dass ich von ihm jetzt nicht mehr ganz so genervt bin. Auch wenn ich mir medizinisch selbst davon abraten würde, dieses Jahr noch wesentlich mehr von dieser Musik zu hören. Vielleicht wäre es auch ganz gut, wenn Tillman nicht gleich nächstes Jahr wieder ein Album macht. Ein bisschen Distanz hilft ja bekanntlich, wenn man sich nicht mehr ganz grün ist.






Persönliche Highlights: Hangout at the Gallows / Date Night / the Palace / God's Favorite Customer

Nicht mein Fall: Dissapointing Diamonds Are the Rarest of Them All

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