Sonntag, 10. Juni 2018

Er weiß, wovon er redet




















Was man die vergangenen Wochen und Monate über Gzuz im Netz las, hatte eigentlich eher wenig mit Musik zu tun: Ein geleakter Ausraster im Biergarten und Videos auf Worldstar waren zuletzt eher die Themen, die über den Rapper wirklich Aufmerksamkeit erzeugten. Und das, obwohl es ganz nebenbei auch einen neuen Longplayer des Hamburgers gab, das einer Diskussion eindeutig wert ist. Denn zumindest meiner bescheidenen Meinung nach ist dieser Typ einer der wenigen Künstler*innen, die dem deutschsprachigen Gangsterrap in den letzten Jahren wirklich einen Stempel aufgedrückt hat und der trotzdem noch immer unterschätzt wird. Gzuz ist ein MC mit wahnsinnig viel Talent und Charisma, dem es sowohl solo als auch in seiner Verpflichtung bei 187 Straßenbande gelungen ist, einen perfekten Spagat zwischen Szene-Basis und Mainstream hinzubekommen und gleichzeitig klassische Rap-Themen stilvoll mit Elementen der New School zu verbinden. Ein Song wie Ahnma funktioniert bei ihm genauso gut wie Hardcore-Nummern wie CL 500 oder Cloud-Balladen wie Für die Gang mit Ufo361 und niemand hat sich je beschwert. Stand 2018 klingt die Hälfte aller deutschsprachigen Rapper nach dem Hamburger, man kann also definitiv sagen, dass Gzuz spuren hinterlassen hat. Und obwohl mit Sicherheit Ebbe & Flut von 2015 das Album war, das dieses Selbstverständnis zementierte, ist auch diese LP eine durchaus spannende Angelegenheit. Als 'die Platte danach' hat sie den Anspruch zu beweisen, dass der Rapper diese Größe jetzt auch weitertragen kann. Wobei Wolke 7 durchaus eine Reaktion auf eben diese Verantwortung ist. Schon allein der Titel steht für eine gewisse Haltung, die der MC hier einnimmt und die mehr oder weniger das ganze Album dominiert. Gzuz hat sich einen Platz an der Sonne im Game erarbeitet und erzählt hier die Geschichte(n) dieser Entwicklung. So weit, so klassisch. Und auch die Art, wie der Hamburger das ausführt, ist nicht wirklich überraschend. So gut wie jeder der 13 Tracks hier arbeitet die selbe Checkliste von Themen ab: Kriminalität, Knast, Erfolg, Drogen, Sex, Gewalt, schwere Kindheit, komplizierter Charakter und so weiter. Spätestens nach der Hälfte der LP hat man dabei alles schon gehört und kann sich den Rest denken. Einge Songs sind so deckungsgleich, dass es schwer fällt, sie zu unterscheiden. Auch in Sachen Instrumentals gibt es wenig Vielfalt, fast immer hört man das übliche Gehacke zwischen Trap, HipHop und Mainstream-Produktion, das momentan 70 Prozent der gesamten Rap-Szene fahren. Und wenn wir hier über irgendeine*n anderen Künstler*in reden würden, wäre das wahrscheinlich ein ziemlich mieses Album. Doch kann ich auch hier nicht umhin, große Teile dieser LP einfach aufgrund der großartigen Performance von Gzuz genial zu finden. Denn nicht nur hat der wahnsinnig gute Punchlines und ist technisch on point, auch schreibt er hier wahrscheinlich die bisher besten Hooks seiner Karriere und ist überdies einfach als Charakter sehr präsent. Selbst die dümmsten Floskeln klingen bei ihm nicht abgehangen, weil der Kontext dahinter so unglaublich stark ist und wenn es bei ihm um ziemlich typische Gangsterrap-Märchen geht, wirkt das auch so vielen Jahren noch echt. Und seine Fähigkeiten als Texter und packender Performer strahlen auf Wolke 7 noch immer über die meisten Schwächen hinweg. Nicht über alle, aber über viele. So gesehen steht Gzuz hier unterm Strich vielleicht nicht als guter Künstler, der sich stilistisch weiterentwickelt und neue Ausdrucksformen findet, aber mit einem dicken Ausrufezeichen als guter Rapper. Wobei ich glaube, dass es eher letzteres ist, was für ihn selbst der Zweck dieses Albums ausmacht. Insofern wurde hier das Ziel mal wieder erreicht.






Persönliche Highlights: Warum? / Wolke 7 / Über Nacht / Halftime / Träume / Bis dass der Tod und scheidet / Niemals satt / Diskutieren

Nicht mein Fall: Was erlebt / Nur mit den Echten

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