Freitag, 8. Juni 2018

Schluss mit Hussa




















Obwohl ich mir es immer wieder vornehme, bin ich nur in den seltensten Fällen ein wirklich zuverlässiger Berichterstatter, wenn es um die musikalische Aktivität meiner Freiberger Homezone geht. Abgesehen von ein paar Erwähnungen hier und da und einem einzigen ausführlichen Artikel über die Debüt-EP von Nornír im letzten Jahr bin ich immer wieder zögerlich, meinen Senf zu den Dingen dazuzugeben, die dort passieren. Zum einen, weil auch ich selbst in mehreren Projekten involviert bin, zum anderen, weil ich beschlossen habe, nur dann etwas zu schreiben, wenn ich auch wirklich hundertprozentig überzeugt von diesen Projekten bin. In einer kleinstädtischen Szene wie der in Freiberg sorgen erfahrungsgemäß auch kritische Artikel eines so unbedeutenden Formats wie CWTE für etwas, das man als "negative Presse" bezeichnen könnte. Und das möchte ich nach einigen doofen Situationen damit einfach niemandem an den Hals wünschen. Entschuldigungen an dieser Stelle gehen raus an einige Gruppen, die mich in der Vergangenheit nach Besprechungen ihrer Platten gefragt haben. Ihr wisst, ich hab euch lieb und ich meine das echt nicht böse. Bei manchen braucht es eben auch einfach nur Zeit. So zum Beispiel bei Chameleon Defect, einer der in meinen Augen mittlerweile legendären Freiberger Acts, die sich in den letzten Jahren mit Sicherheit in das Gedächnis der lokalen Szene eingebrannt haben. In meinem gesamten bisherigen Leben habe ich wahrscheinlich keine Band überhaupt so oft live gesehen, wobei jedes weitere Konzert von ihnen wieder ein Hochgenuss war. Als 2015 deren Debüt Incognito erschien, ging es mir allerdings irgendwie durch die Lappen, darüber zu schreiben und bis auf einige Verweise kam die Gruppe in diesem Format eigentlich überhaupt nicht vor. Nun, da sie seit anderthalb Jahren nicht mehr existiert, ein ziemliches Versäumnis meinerseits. Was aber auch nicht bedeutet, das gleich alles vorbei ist. Denn mit Exit.Sun besteht seit einigen Jahren eine Art Nachfolgeprojekt, in dem immerhin drei der vier Chameleons weiterhin aktiv sind und das Ende Mai ebenfalls ein Erstlingswerk vorgestellt hat. Vom spaßigen Prog- und Mathrock ist diese Band zum etwas derberen Stoner- und Hardrock abgedriftet, vor allem Queens of the Stone Age, Alice in Chains und Kyuss sind dabei deutliche Einflüsse. Und auch personell gibt es Änderungen: Neben den quasi biologisch angeborenen Tätigkeiten von Charlie Lantsch als Leadgitarrist und Richard Peitzsch als Bassist und Pianist sind beide hier auch als Sänger zu hören, wobei vor allem Charlie ganz schön abliefert. Das wahre Zentrum dieses Albums ist aber nach wie vor die Instrumentale Arbeit. Zwar gibt es bei Exit.Sun deutlich weniger technische Fuchserei als noch bei der alten Band, dennoch sind auch die Songs hier eher wenig direkt, sondern sehr verwoben und komplex. Wenige Stücke erschließen sich gleich in den ersten Minuten, die allerbesten wie Alien Handshake oder the Time We Need entfalten ihre ganze klangliche Breite sogar erst nach einer ganzen Weile. Das heißt, obwohl diese drei auf dickes Riffing und klare Hook-Momente setzen, wird Geduld auf dieser Platte doch mehr als alles andere belohnt. Mitunter, wie in Signs, gönnt sich die Gruppe dabei auch ausführliche Postrock-Passagen. Mit Moon Machine oder the Strain gibt es aber auch Tracks, die in drei oder vier Minuten als Hardrock-Granaten funktionieren. Besonders schön finde ich dabei, wie die Band gleichzeitig sehr beständig und sehr vielseitig arbeitet. Das gesamte Album verfügt über einen ästhetischen roten Faden, der nie wirklich abbricht, dieser jedoch windet sich innerhalb der zehn Stücke gewaltig. Langweilig wird es also nie so richtig. Wobei das vielleicht eine Meinung ist, die ich sehr exklusiv vertrete. Denn wer die Jungs von ihrer alten Gruppe Chameleon Defect kennt, wird hier vielleicht auch einiges vermissen. Zwar gibt es in Stücken wie I Dated A Ghost doch sehr klare klangliche Rückbezüge auf das vorige Projekt, doch sind Exit.Sun charakterlich doch definitiv eine ganz andere Baustelle. Das kunterbunte Prog-Spektakel mit vielen knalligen Momenten, das deren Songs immer so klasse machte, ist hier definitiv einer wesentlich ernsteren Form des Musikmachens gewichen. Mir persönlich ist die sogar ein bisschen lieber, weil konsistenter, doch ich kann mir vorstellen, dass viele Liebhaber der Chameleons ein bisschen brauchen werden, um das hier gleichermaßen zu feiern. Am Ende finde ich aber, dass es sich dafür lohnt. Statt ihre kompositorische Energie in einzelnen Momenten zu verpulvern, setzt die Band sie hier so ein, dass sie über längere Zeit wirken und dosiert klangliche Akzente so, dass sie zu einem stimmigen Gesamtbild beitragen. Das unterscheidet in meinen Augen Künstler*innen, die vor allem live gut sind letztendlich von denen, die auch im Studio funktionieren. Und Exit.Sun arbeiten mittlerweile definitiv auf diesem Niveau.






Persönliche Highlights: Alien Handshake / Moon Machine / the Time We Need / the Strain / Stardust Alchemy / Signs

Nicht mein Fall: I Dated A Ghost

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