Sonntag, 24. Juni 2018

Dreams Come True




















Vielleicht können sich einige ja noch daran erinnern, wie das vor zehn Jahren war, als alle komplett am Ausrasten waren, weil es plötzlich diesen Konstantin Gropper gab. Da kommt dieser Jungspund aus Biberach an der Riß mit seinem seltsamen Soloprojekt Get Well Soon um die Ecke und auf einmal redet die ganze Welt von ihm. Wenn man sich die damaligen Artikel über das Debütalbum Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon anhört, sprechen nicht nur deutschsprachige Medien immer wieder vom nächsten großen Pop-Komponisten und einem Newcomer der ganz besonderen Art. Dass es diese Reaktion zu diesem Zeitpunkt gab, ist absolut logisch, da seine Art von Musik natürlich etwas sehr spezielles und einnehmendes hatte und hat, gleichzeitig ist es deshalb auch ebenso logisch, dass aus Gropper eben nicht das Riesending geworden ist, das damals alle prophezeihten. Der Tribut, den seine groß angelegten Albumprojekte seit jeher zollen ist die hohe Schwelle, die man als Hörende*r braucht, um daran teilzuhaben. Eine Platte kann gut und gerne Mal drei bis vier Jahre bis zu ihrer Vollendung brauchen und das Ergebnis ist fast automatisch eine sperrige Angelegenheit. In seinen Kompositionen holt Get Well Soon gerne weit aus und wenn bei regelmäßigen zehnminütigen Orchesterparaden der Mainstream irgendwann das Boot verlässt, braucht sich eigentlich niemand zu wundern. Gleichzeitig konnte diese Musik auch nie das Potenzial eines Indie-Klassikers entfalten, weil Gropper am Ende doch immer in Richtung Pop wollte. Die ersten drei Alben versuchte man immer noch, in diese Richtung zu schieben, doch spätestens bei the Scarlet Beast O' Seven Heads von 2012 sprangen die coolen Kids ab. Übrig blieb dem einstigen Wunderkind also ein Dasein als ewiger Liebling des gediegenen Feuilletons und des Kulturradios, die ihn bis heute frenetisch abfeiern. Weil auf die aber auch niemand mehr hört, hätte man fast gar nicht mitgekriegt, das er diesmal wirklich sein bestes Album gemacht hat. Und dabei ist es eigentlich völlig egal, was für Gedanken dahinter stecken. Denn theoretisch ist auch the Horror wieder ein Konzeptalbum, auf dem der Künstler textlich wie musikalisch seine Alpträume verarbeitet. Allerdings ist wesentlich interessanter, was ihn hier musikalisch inspiriert hat: Thematisch passend setzte sich der Musiker hierfür sehr intensiv mit den Arbeiten des Hitchcock-Komponisten Bernhard Herrmann auseinander, aber auch Frank Sinatra nennt er in aktuellen Interviews als starken Einfluss. Wobei man letzteres tatsächlich sehr intensiv hört. Zwar ist Gropper gesanglich nicht ansatzweise so smooth unterwegs wie dieser, aber die Ästhetik stimmt auf jeden Fall. Bei seinen Arrangements scheut diese LP definitiv nicht vor der ganz großen orchestralen Keule zurück und statt Spaghetti-Western- oder Neoklassik-Zeug spielt Get Well Soon diesmal eben ein bisschen Broadway-Kram. Wobei "gruselig" in diesem Fall noch ein wichtiges Attribut ist. Denn obwohl sich die Platte musikalisch sehr breit aufstellt und in gewisser Weise auch die Gloria von Produktionen aus den späten Fünfzigerjahren hat, ist das ganze doch auch immer wieder kafkaesk und schaurig, ganz im Stil eines guten Soundtracks. Das tolle dabei ist, dass sich Gropper von dieser Ausrichtung nicht den Mut zur Vielfalt wegnehmen lässt, was früher immer ein bisschen sein Problem war. The Horror hat viele kleine Off-Tours, darunter auch jede Menge echt schöne. Die drei Nightmare-Songs sind das stilistische Zentrum des Albums, um die sich alles anordnet und wunderbar spielt. Da gibt es Tracks, die sehr vorbildlich mit dem Thema Field Recordings umgehen, mit Future Ruins Pt. 2 und dem Titelsong gleich zwei fabelhafte Introtracks, mit Martyrs und the Only Thing We Have to Fear ein paar Pop-Versuche und mit dem düsteren Nightjogging auch einen ziemlich weirden klanglichen Ausreißer. Nicht jedes Experiment geht dabei zu hundert Prozent auf und wie immer habe ich dabei einige Probleme mit Konstantin Gropper als Sänger, doch bin vom strukturellen Aufbau dieser Platte definitiv ziemlich beeindruckt. Ein Konzeptalbum zu machen ist eine Sache, aber dabei so penibel auf Übergänge, Spannungsbögen und klangliche Feinheiten zu achten, können nur wenige. Es könnte daran liegen, dass Gropper aus der Klassischen Musik kommt, doch auch er macht das in meinen Augen hier das erste Mal wirklich zufriedenstellend. So, wie ich es eigentlich schon immer von ihm hören wollte. Denn dass dieser Typ gute Arrangements schreibt, muss er 2018 niemandem mehr beweisen. Beweisen muss er, dass er ein gutes Album damit zustande bringt. Mit the Horror ist er diesem Ziel für mich persönlich so nah wie nie zuvor.






Persönliche Highlights: Future Ruins Pt. 2 / the Horror / An Air Vent (In Amsterdam) / A Misty Bay (At Dawn) / Nightmare No. 3 (Strangled) / (How to Stay) Middle Class / (Finally) A Convenient Truth

Nicht mein Fall: Martyrs / Nightjogging

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