Freitag, 13. November 2020

Re-Animator

  clipping. - Visions of Bodies Being Burned

 

[ finster | bedrohlich | avantgardistisch ]

Es war objektiv gesehen eine gefundene Symbiose, als Clipping letztes Jahr auf There Existed An Addiction to Blood den Horror für sich entdeckten und manche würden sogar sagen, es war fast vorhersehbar. Den Hang für düsteres Storytelling hatten sie ja schon immer, die gruseligen Instrumentals ohnehin und dass Daveed Diggs eine theatrale, ja cineastische Performance auf dem Kasten hat, wissen wir allerspätestens seit Hamilton. Und auf besagtem Album im letzten Herbst stimmte dann auch wirklich alles: Von den gleichermaßen surrealen wie gesellschaftlich relevanten Themen über die nervenaufreibende Produktion bishin zum Veröffentlichungsdatum in der letzten Oktoberwoche. Addiction to Blood war ein perfektes Match für die Kalifornier. Weswegen es auch niemanden wundern sollte, dass sie nur ein Jahr später nochmal eine Ehrenrunde drehen wollen und mit Visions of Bodies Being Burned mehr oder weniger das gleiche Album nochmal machen. Artwork und Release-Datum reichten vor ein paar Monaten, um diese Vermutung zu bestärken, das fertige Stück Musik bestätigt diese nun endgültig. Und mit großer Freude kann ich auch verkünden, dass Teil Zwei der Clipping-Horrorsaga seinem Vorgänger in nichts nachsteht. In einigen Punkten ist es vielleicht sogar noch ein wenig besser. Vor allem finde ich aber auffällig, dass Visions das erste Album dieser Band ist, auf dem Daveed Diggs mal ausnahmsweise nicht das beste ist. Dass seine Performance hier irgendwie minderwertig wäre, bedeutet das keinesfalls, auch hier überzeugt er wieder durch starkes Storytelling, viel lyrischen Charakter, gute Hooks und vor allem seinen genialen Flow. Nur kennen wir das jetzt schon alle zur Genüge und wissen, wie cool er ist. Die Produktion hingegen macht auf diesem Album nochmal einen gewaltigen Schritt nach vorne und geht hier erstmals in eine Richtung, die ich nicht nur als experimentell, sondern wahrfaftig als dekonstruktiv empfinde. Das, was hier als Instrumentals fungiert, sind häufig sehr lose gehaltene Klangcollagen, die manchmal als musikalische Untermalung funktionieren, manchmal aber auch einfach stimmungsvolle Field Recordings oder Geräuschkulissen sind. Und selbst wenn es mal einen deutlichen Beat gibt, ist dieser fast immer sehr minimalistisch und karg, was diesem Album eine absolut unverwechselbare Stimmung verpasst. Ganz selten müssen Clipping hier laut werden, um eine nervenaufreibende Atmosphäre aufzubauen, die meiste Zeit über ist es eher die bedrohliche Stille gepaart mit Diggs Creepypasta-artigen Texten, die dafür sorgt. Momente wie der Anfang von Eaten Alive, das beklemmende Intro, Check the Lock oder die surrealen Interludes Invocation und Drove lassen Visions mitunter eher wie ein experimentelles Hörspiel oder einen tatsächlichen Horrorfilm klingen, Teile erinnern mich auch an den Soundtrack des neuen Suspiria-Films von Thom Yorke. Und gerade solche Parallelen schaffen es, dass diese LP trotz ihrer avantgardistischen Noise- und Musique Concrète-Einschläge am Ende relativ zugänglich ist. Weil das Dekostruktive hier eben nicht einfach so da ist, sondern Assoziationan auslöst und die düsteren Bereiche der Fantasie anregt. Eben genau die Dinge, die einen guten Kinoschocker oder einen Stephen King-Roman auch funktionieren lassen. Wobei ich nach wie vor nicht oft genug betonen kann, wie gut Clipping diese Ästhetik klanglich zu Gesicht steht. So gut, dass ich nicht enttäuscht darüber wäre, noch fünf weitere Sequels dieser Serie zu hören. Und am Ende wäre ja auch das irgendwie ein Move, der sehr in das Splatter-Klischee passen würde.


Hat was von
Jpegmafia
Black Ben Carson

Shabazz Palaces
Lese Majesty

Persönliche Höhepunkte
Intro | Say the Name | 96 Neve Campbell | Something Underneath | She Bad | Invocation (Interlude) | Pain Everyday | Looking Like Meat | Eaten Alive | Body for the Pile | Secret Place

Nicht mein Fall
-

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen