Donnerstag, 26. November 2020

Aztekischer Paganismus oder was Black Metal in Mexiko zu suchen hat

Yaotl Mictlan - Sagrada tierra del jaguar 


[ paganistisch | ausdefiniert | krachig ]

Eine Sache, die in einen gut gemachten Black Metal-Traditionalismus seit jeher mindestens genauso gehört wie Corpsepaint, Tremolopicking und Blastbeats ist ein gewisser Hang zur Volkstümlichkeit und zum Paganismus, der schon immer ein Grund für Kontroversen. Bereits Anfang der Neunziger, als die Kunst der schwarzen Krachmusik in Norwegen das Laufen lernte, war es der Bezug auf archaische skandinavische Kulturgüter, das für viele der stilprägenden Bands ein wesentliches inhaltliches Motiv war und sich vor allem in der Ablehnung des Christentums manifestierte. Dass Varg Vikernes damals Kirchen verbrannte, geschah seiner Auffassung nach im wesentlichen aus Ablehnung gegen die "Invasoren" aus Südeuropa, die mit der "fremden Religion" den originären Glauben der Vorfahren vertrieben. Wie wir heute wissen, waren diese Überzeugungen auch von Rassismus und Antisemitismus nicht zu knapp durchdrungen, nichtsdestotrotz hat sich das Narrativ vorchristlicher, ursprünglicher Ideale im Black Metal sowie das schlechte Verhältnis zum Konzept Kirche irgendwie bewahrt. Und dass es auch 30 Jahre später eine durchaus interessante popkulturelle Perspektive bieten kann, sieht man im Moment sehr gut an einer Band wie Yaotl Mictlan. Diese stammt ursprünglich aus Mexiko, einem Land also, das in der Vergangenheit ebenfalls mit einer Form von christlich motivierter Invasion, massenhafter Missionierung und kulturellem Imperialismus zu tun hatte und infolgedessen einen großen Teil seines ursprünglichen Kulturerbes eingebüßt hat. Auf ihre Art und Weise finden sie sich also auch im Narrativ des Black Metal wieder, indem sie sich in ihrer Musik auf eine mystische, verlorene Altertümlichkeit - vornehmlich die des Maya- und Aztekenreiches - beziehen. In ihren Texten finden sich immer wieder Verweise auf mythologische Themen und Passagen indigener Sprachen (meistens singen sie aber auf spanisch), die Ästhetik ihrer Artworks ist inspiriert von altertümlichen Fresken und Pyramiden und hin und wieder tauchen in ihren Songs sogar traditionelle Instrumente oder lokale Folk-Motive auf. Auf schwere Sachbeschädigung, rituelle Morde und generelles Arschlochsein haben sie dabei bisher zum Glück verzichtet, doch hat das ganze in diesem Fall überhaupt einen völlig anderen Anstrich. Indem sich Yaotl Mictlan in ihrer Musik auf diese Themen beziehen, zeigen sie im gleichen Atemzug klare Kante gegen Kolonialismus, Imperialismus und Eurozentrismus, die ja leider doch nicht so passé sind, wie man sich das wünschen würde. Damit spielen sie zwar eine sehr europäische Art und Weise von Rockmusik, nutzen deren Motive aber für ihre Zwecke und Überzeugungen. Das ist in diesem Falle dann nicht nur ideologisch spannend, sondern vor allem auch musikalisch. Denn mit den hier immer wieder stattfindenden Folk-Einflüssen schaffen Yaotl Mictlan auch ihre eigene kleine Nische in diesem Sungenre, das die altbewähte Grundtheorie von Pagan Metal einfach dort verortet, wo diese Band herkommt. Woran man mal wieder merkt, wie international Metal sein kann, wenn man ihn mal auf seine wesentlichen Bestandteile reduziert. Denn wenn es in Mexiko klappt, dann sicher auch in Tibet, Simbabwe oder Somalia. Es muss nur jemanden geben, der dieses Potenzial anzapft.


Hat was von
Wiegedood
De Doden Hebben Het Goed

Behemoth
the Satanist

Persönliche Höhepunkte
Entre Lluvias Fuertes | Coatlicue | Ba'alche'o'ob | Tezcatlipoca | K'inich Janaab' Pakal | Nuevo Fuego | Buho Lanzadardos | Sombra del Mictlan

Nicht mein Fall
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