Dienstag, 17. November 2020

Wildcard

HHY & The Kampala Unit - Lithium Blast  

 

[ perkussiv | experimentell | hibbelig ]

Ungefähr ein Jahr ist inzwischen ins Land gegangen, seitdem ich Bekanntschaft mit dem ugandischen Label Nyege Nyege Tapes und dessen skurrilen Entwurf von Technomusik gemacht habe. Und obwohl ich sagen muss, dass es unter den Platten, die ich von ihnen bisher gehört habe, wenige gab, die mich musikalisch wirklich überzeugten, kann ich doch auch nicht anders, als bei jedem neuen Release, das daraus hervorgeht, wieder sehr gespannt zu sein. Denn auch wenn mich die klanglichen Kosmen, die viele der dort beheimateten Künstler*innen aufstoßen, ziemlich verunsichern, ist Nyege Nyege doch objektiv ein kreativer Pool, in dem viel neues und interessantes passiert. Eine Energie, die inzwischen elektronische Visionäre aus der ganzen Welt in ihren Bann zieht, wie man auch an diesem jüngsten Eintrag in ihrem Katalog merkt. HHY & the Kampala Unit ist ein Zusammenschluss des portugiesischen Psychrock- und Ambient-Künstlers Johnatan Saldanha und der beiden aus Uganda stammenden Jazzmusikern Omutaba und Florence Lugemwa, die mit Lithium Blast ihr erstes gemeinsames Album vorstellen. Diese Paarung allein wäre schon ziemlich wüst, würden die drei hier einfach nur die Dinge kombinieren, die sie in ihren anderen Projekten ohnehin machen, doch ist diese vorliegende LP nochmal ein ganz anderer Mutant. Denn ganz im Sinne der klanglichen Marschrichtung von Nyege Nyege ist das hier ein experimentelles Techno-Abenteuer, das an nicht wenigen Stellen auch vollumfänglich in Avantgarde-Gefilde überschwappt. Stilistisch nennen sie das ganze hier Dub, was aber in keinem Moment ein wirklich wiedererkennbarer Bezugspunkt ist. Viel eher erinnert das ganze hier an Leute wie Arca, Aphex Twin, James Ferraro oder Oneohtrix Point Never, nur eben mit diesem typischen Kampala-Einschlag. Viele Polyrhythmen, ein insgesamt sehr perkussiver Sound und jene düstere Grusel-Ästhetik, die fast schon wieder an Noise grenzt. Lithium Blast geht mit diesem Konzept in vielen Momenten auch an seine kompositorischen Extreme, und dass hier zwei experimentelle Jazzmusiker mitarbeiten, merkt man in jedem Moment. Mitunter, wie in Bursting Thru the Gates oder Queendom, gibt es auch stark von afrikanischem Jazz inspirierte Bläsersätze, die für kurze Zeit so etwas wie Eingängigkeit suggerieren. Dass es dabei genau diese Parameter braucht, um mich für den Nyege Nyege-Sound zu begeistern, geschieht unverhofft, denn eigentlich dachte ich bisher, ich bräuchte mehr Klarheit in dieser Musik. Tanzbare Grooves, ein bisschen mehr Melodie oder vielleicht sogar Rap oder Gesang. Aber nichts da: Meine persönliche Erfüllung dieses Sounds erlebe ich in der denkbar schrägsten, extremsten und unzugänglichsten Platte, die ich von diesem Label bis dato gehört habe. Nicht dass ich denke, das würde bei allen so funktionieren. Wenn der grundsätzliche Entwurf hier für euch interessant klingt, ihr ihn aber erstmal antesten wollt, empfehle ich doch eher gefälligere Sachen wie Nihiloxica oder Otim Alpha. Ich persönlich finde das hier aber zum ersten Mal so richtig gut. Und wenn es die nerdigen Kunstplatten sind, die mir dieses Konzept verkaufen, dann sei es eben so. Muss ja nicht immer alles zum tanzen sein.


Hat was von
Nihiloxica
Kaloli

Arca
Mutant

Persönliche Höhepunkte
Bursting Thru the Gates | Hunter | Queendom | Curse Go Back | Fission Core Fluid | Gun | Lithium Blast | Shing Scar

Nicht mein Fall
-

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