Sonntag, 8. November 2020

So muss Mathe



tricot - 10 


[ optimistisch | fluffig | indierockig | niedlich ]
 
 Ich komme dieser Tage ja eher selten dazu, mal über ein Mathrock-Album zu sprechen und das letzte Mal, dass ich es tat, ist inzwischen schon wieder fast ein halbes Jahr her. Und wenn ich ehrlich bin, gibt es momentan auch wenige Bands aus diesem Bereich, die mich ernsthaft interessieren würde. Wenn man die ohnehin schon immer anstrengende Progmetal-Fraktion weglässt und sich genug darüber aufgeregt hat, dass es Brontide nicht mehr gibt, bleibt in jüngerer Zeit wenig übrig, das wirklich der Rede wert wäre. And So I Watch You From Afar, Battles und Toe sind nicht mehr was sie mal waren, Totorro und Adebisi Shank haben seit Ewigkeiten keine neue Musik gemacht und TTNG und Tiny Moving Parts sind leider nicht so gut wie ihr Ruf. Aber eine Aufzählung wie diese würde ich natürlich nicht machen, wenn es nicht auch ein Licht am Ende des Tunnels gäbe. Und seit einigen Jahren kommt dieses in meinen Augen aus Kyoto und hört auf den Namen Tricot. Das Quartett selbst existiert bereits seit 2010 (was den Titel dieser neuen LP erklärt) und hat seitdem insgesamt fünf Longplayer veröffentlicht, von denen der letzte, 真っ黒 Makurro, gerade mal gute neun Monate alt ist. Spätestens seit 2018 kann man die Vier dabei als Speerspitze einer neuen Abteilung junger, meist weiblich besetzer Indierock-Bands aus Fernost sehen, zu denen auch Otoboke Beaver oder Elephant Gym gehören und die eine ganz neue Generation von Musiknerds für soften, fluffigen Indie-Mathrock begeistern. Stilistisch sind vor allem Tricot dabei sehr poppig und gefällig und halten die technischen Kniffe ihrer Kompositionen hinter viel Melodie und Entspanntheit versteckt. Ästhetische Verwandte sind dabei durchaus Toe und TTNG, aber auch viel Midwest Emo-Zeug und ein klarer Bezug zur Pop- und Schlager-Tradition ihres Heimatlandes. Vieles auf 10 klingt dadurch eher, als wären Tricot einfach eine etwas ulkige Indieband und für ihre klangliche Nische klingen sie doch extem euphorisch. Doch ist gerade das auch der Selling Point bei ihnen, der in meinen Augen für beide Lager funktioniert. Die Laufkundschaft, für die der Mathrock-Tag nur nerdige Etikettierung ist, findet diese Band aufgrund ihrer unkomplizierten Songs cool, die so sonnig und niedlich sind, die Expert*innen mögen sie, weil sich dahinter so viele clevere Kleinigkeiten verstecken. Denn schaut man nur mal kurz hinter die Fassade der poppigen, witzigen Tricot, finden sich überall weirde, jazzige Schlagzeugparts, krude Polyrhythmen, versteckte Dissonanzen und ulkige Breaks. Um diese technisch genauer einzuordnen, fehlt auch mir das musiktheoretische Know-How, nur mag ich etwas daran auf jeden Fall ganz gerne. Und sei es nur, dass die Band dadurch ein kleines bisschen rotznasiger und frecher wirkt. Es ist das kleine bisschen, das Songs wie WARP, おまえ oder あげない zu klobig für ein Sitcom-Intro macht, aber zu naiv und lieb gemeint für den Vergleich mit Sleater-Kinney. Vor allem macht es aber Spaß, diesen vier Frauen zuzuhören und abseits von allen kompositorischen und stilistischen Feinheiten wird das sicher der Hauptgrund sein, warum Tricot gerade Mathrock wieder interessant machen. Und unrecht haben diese vielen neuen Fans zumindest im Fall von 10 nicht. Egal, was letztendlich ihr Zugang hierzu ist.


Hat was von
Carsick Cars
Carsick Cars

Totorro
Home Alone

Persönliche Höhepunkte
おまえ | サマーナイトタウン | WARP | 箱 | 炒飯 | あげない | 悪戯 | Laststep | 體

Nicht mein Fall
-

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