Mittwoch, 11. November 2020

Some Kind of Dropbox

Gorillaz - Song Machine, Season One  

 

[ seriell | prominent | unfokussiert ]

Es war in den letzten zehn Jahren definitiv kein leichtes Los, ein Fan der Musik von Damon Albarn zu sein, und gerade als jemand, der noch vor wenigen Jahren von der relativen Unfehlbarkeit dieses Künstlers überzeugt war, ist es mitunter hart geworden, ihm zuletzt bei seiner Arbeit zuzusehen. Klar war auch nicht alles, was in der letzten Dekade von ihm kam, total furchtbar und einige Platten wie Merrie Land (2018 mit the Good, the Bad & the Queen), Egoli (2019 mit Afrika Express) oder Rocket Juice & the Moon (2012 mit Rocket Juice & the Moon) sind nach wie vor Beweise, wie genial dieser Typ sein kann. Nur gab es zwischendurch eben immer wieder große Ausfälle wie sein völlig lahmes Blur-Comeback von 2015 oder das im Nachhinein eher durchwachsene Solodebüt Everyday Robots, die bei mit gewisse Sorgen aufkommen ließen. Und von allen Projekten, die Albarn in dieser Zeit betrieb, waren es ohne zweifel die Gorillaz, die es von allen am schlimmsten erwischte. Dabei sah es Anfang der letzten Dekade eigentlich so aus, als würden für die Fans der Band rosige Zeiten anbrechen. 2010 erschien mit Plastic Beach das monumentale Opus Magnum, mit dem das Projekt endgültig zu einer der wichtigsten Gruppen des 21. Jahrhunderts wurde und nur ein Jahr später kam mit the Fall das nächste (wenngleich noch immer unterschätzte) Highlight um die Ecke. Wackelig wurde es allerdings 2017 nach langer Schaffenspause mit dem pompösen Comeback Humanz, das in vielen Belangen einfach nicht an das Niveau anschließen konnte, das Gorillaz in den Zwotausendern vorgelegt hatten und von dem aus das Projekt immer mehr ins Schlittern geriet. the Now Now von 2018 war zwar etwas gelungener, konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Albarns kreative Spielwiese langsam versumpfte. Und so wie es aussieht, geht dieser Negativtrend mit Strange Timez in ein weiteres Jahrzehnt. Denn wenn man mich fragt, ist das hier mit Abstand das bisher schwächste Gorillaz-Album überhaupt. Dass es dabei eigentlich gar kein richtiges Album sein soll, ist durchaus Teil des Problems, aber auch nicht sein kompletter Ruin. Die Idee von Song Machine ist nämlich an sich keine, die ich verwerflich finde. Statt eines kohärent gedachten Albums sollen die Songs dieses Projekts als Serie von Singles erscheinen, die dann irgendwann in einer gebündelten "Staffel" erscheinen und damit auf jeden Fall besser an zeitgenössische Hörgewohnheiten angepasst sind als ein klassisches LP-Format. Das Problem ist nur leider, dass dieses Konzept von Albarn hier weder so richtig zu Ende gedacht und noch kompetent umgesetzt wird. Statt eine Reihe von elf eingängigen, starken Einzeltracks zu präsentieren, die im Optimalfall verschiedene stilistische Facetten des Kosmos Gorillaz beinhalten, erleben wir hier elf ziemlich lahme Bedroompop-Nummern, deren einziger Selling Point es ist, dass sie mit allerlei illustren Promi-Cameos künstlich aufgepeppt wurden. Und anhand der großen Namen, die auf dieser LP auftauchen, kann einem schon das Wasser im Mund zusammenlaufen. Verpflichtungen von Leuten  wie Robert Smith, Peter Hook, Sir Elton John, Slowthai, Schoolboy Q oder Beck machen Strange Timez personell zum bisher größten Schaulaufen der Gorillaz-Geschichte, neben dem selbst das epochale Plastic Beach schnell verblasst. Und ganz objektiv-businesstechnisch ist schon eine Leistung, einen geadelten Superstar wie Sir Elton John zusammen mit Autotune-Crooner 6lack auf einen Song zu holen oder Mitglieder von the Cure und Joy Division auf dem gleichen Album zu haben. Darüber hinaus sind so gut wie alle mit viel Elan dabei und geben sich für ihre jeweiligen Beiträge auch wirklich Mühe, was man ebenfalls nicht von jedem kollaborativen musikalischen Unterfangen behaupten kann. Nur ist der einzige, der nicht so richtig Bock zu haben scheint, bedauerlicherweise Damon Albarn. Der klimpert hier abgeklärt ein paar mittelmäßig aufgenommene Nummern am Analogkeyboard, singt dazu manchmal ein paar Takte und produziert den ein oder anderen Beat. Insgesamt ist er aber eher abwesend und gibt für die kreative Ausgestaltung regelmäßig das Ruder aus der Hand. Von allen Performances auf dieser LP sind seine damit fast immer die schlechtesten und lassen einen Geist vermissen, der wir früher all die farbenfrohen Auftritte anderer Künstler*innen in einer Vision vereint. Und das muss ja von mir aus keine Album-Vision sein. Allerdings wäre es mit diesem geballten Talent kein Ding der Unmöglichkeit gewesen, aus jedem Track etwas besonderes zu machen. Stattdessen klingt vieles auf Strange Timez wie eine bessere Jamsession oder noch schlimmer, wie eines dieser furchtbaren Dropbox-Projekte, die in Zeiten von Covid-19 den Äther erobern. Und klar ist es cool zu hören, wie Peter Hook einen großartigen Synth-Beat für Aries abliefert, Schoolboy Q die letzte Strophe von Pac-Man rasiert oder sich Slaves und Slowthai in Momentary Bliss die Klinke in die Hand geben. So gut wie immer sind das aber nur punktuell brilliante Einzelleistungen und nie eine gemeinsame Idee, die die Punkte zusammenführt. Und das ist super ärgerlich, weil genau das ja mal der Faktor war, der Gorillaz besonders machte. Auf Strange Timez ist die kollaborative Grundidee, die lange die Basis dieser Band bildete, nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst und funktioniert nur noch über die großen Namen darin. Damon Albarn, ihr ehemaliges Mastermind, scheint hingegen nur noch der Aufpasser des großen Zirkus zu sein und kein persönliches Interesse mehr daran zu haben, was künstlerisch passiert. Und langsam aber sicher verliere ich das auch. Selbst wenn es in diesem Fall ganz besonders weh tut.


Hat was von
Tom Vek
Luck

Beck
Colors

Persönliche Höhepunkte
Strange Timez | Pac-Man

Nicht mein Fall
the Lost Chord | Friday 13th | Dead Butterflies | Désolé

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