Samstag, 29. April 2017

Sind ja auch nur Menschen...

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Gorillaz für mich sehr sehr lange das waren, was einer Lieblingsband am nächsten kam. Es gab von ihnen ausschließlich Platten, die zu meinen absoluten Lieblingen gehören (sogar das von Fans geschmähte the Fall mag ich eigentlich ganz gerne), das Konzept hinter dem Projekt war revolutionär, die Art und Weise, wie die Musik präsentiert und aufbereitet wurde, fand ich genial, die Kollaborationen waren fast immer on Point und wahnsinnig spannend und in Damon Albarn bin ich sowieso Hals über Kopf verliebt. Kurzum: Gorillaz waren bis zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich unfickbar. Und ich hätte es sogar okay gefunden, wenn nach der letzten Platte Schluss gewesen wäre. Zumindest wäre es mir lieber gewesen, als jetzt mit dem Kram konfrontiert zu werden, der sich da Humanz nennt. Ich habe mir das Album viele Male angehört und wirklich alles versucht, um genau das nicht sagen zu müssen, aber: Was Albarn und seine Kolleg*innen her fabrizieren, ist schon ziemlich mittelmäßig. Und es ist das erste Mal, dass man das über irgendetwas sagen muss, das Gorillaz veröffentlichen. Also ist es gleich doppelt doof. Dabei steckt hinter all dem sicherlich wieder jede Menge Kalkül. In Interviews sprachen die Macher davon, mit Humanz ein "schnelles Pop-Album" machen zu wollen, das der Mainstream-Kultur des Jahres 2017 den Spiegel vorhält und man muss sagen, dass man das auch hört. Die kompletten 50 Minuten der LP sind mehr oder weniger standardmäßige Tracks, die unter Unständen Radiomaterial sein könnten, doch wirken sie dabei eben nicht wie eine Reaktion auf irgendetwas, sondern wie ein Teil der Sache. Gleichzeitig verspielen Gorillaz dabei auch noch so gut wie alle ihrer bisherigen Stärken. Gleich nach den ersten drei Songs (die sogar noch zu den besten hier gehören) merkt man, dass dieser LP etwas fehlt. Die epische Größe, die überschwängliche Kreativität und die Fähigkeit, mit Musik ein kleines Universum zu erschaffen, ist der Band hier mehr oder weniger vollkommen abhanden gekommen und man erlebt lediglich eine ziemlich gewöhnliche Sammlung an Einzeltracks, wie man es von vielen Künstler*innen hätte bekommen können. Für diese Wirkung mache ich vor allem zwei Aspekte verantwortlich. Erstens ist Humanz das erste Gorillaz-Projekt, in dem Albarn selbst nicht den kompositorischen roten Faden in die Hand nimmt und eine starke Leitlinie setzt. Er selbst fällt in den meisten Stücken kaum auf und wenn, dann meistens negativ. Gegen charismatische Gäste wie Benjamin Clementine, Popcaan, D.R.A.M. oder Danny Brown stinkt er fast immer irgendwie ab und teilweise bin ich hier das erste Mal genervt, ihn singen zu hören. Der zweite Aspekt ist, dass die Featured Artists hier nicht wie sonst in die Songs einbezogen werden und als Teil des Ganzen agieren, sondern bloße Gäste bleiben. Die meisten Nummern mit Features (und das ist der überwiegende Part) klingen wie Arbeiten der Künstler*innen, die darin auftreten und nicht wie Elemente einer geschlossenen Gedankenwelt. Was jetzt nicht bedeutet, dass einzelne Tracks nicht trotzdem funktionieren. Momentz beispielsweise ist hier einer meiner Favoriten, der zeigt, dass die Kombination aus Albarn und De La Soul, die bisher auf allen Gorillaz-Projekten Stammgäste waren, noch immer äußerst fruchtbar sein kann. We Got the Power mit Savages-Frontfrau Jehnny Beth kann sich sehen lassen und die Leadsingle Hallelujah Money mit Benjamin Clementine ist im Kontext des fertigen Albums vielleicht sogar mein Lieblingssong. Nennenswert sind auf jeden Fall die Beiträge von Danny Brown und Kali Uchis, ohne die ihre jeweiligen Songs wahrscheinlich ziemlich öde geworden wären. Der exklusivste Gastauftritt hier, von Grace Jones in Charger, kann indes getrost ignoriert werden. Mit Busted & Blue kommt ein Highlight der Platte dafür komplett ohne Features aus. Richtig schlimm sind die vielen sinnlosen Interludes, die überhaupt nichts zum Gesamtbild beitragen und nicht mal besonders witzig rüberkommen. Auch der zweite Teil der LP beinhaltet viele Momente, die ziemlich peinlich sind und die einen doch sehr an seiner sogenannten Lieblingsband zweifeln lassen. Zum Glück ist das Ende mit den letzten beiden Tracks Hallelujah Money und We Got the Power noch mal richtig bombastisch und lässt ganz zum Schluss noch mal einen Hauch des altbekannten Gorillaz-Sprits erschnuppern. Das Album retten können diese beiden Songs aber auch nicht mehr, dafür ist in den vergangenen 40 Minuten bereits zu viel unverzeihliches geschehen. Humanz ist am Ende vielleicht nicht ganz so schlimm, wie ich es nach den ersten Singles befürchtet hatte, aber es bleibt mit Abstand das schlechteste Projekt, das die Briten je veröffentlicht haben. Und das schlimmste daran ist: Man kann es nicht ignorieren. Es ist das große Comeback der Gorillaz nach sechs Jahren und alle reden darüber und besonders als Fan muss man sich damit beschäftigen. Mit diesem Ergebnis jedoch ist es in meinen Augen ein bisschen der Schandfleck ihrer Diskografie. Und jetzt weiß ich auch nicht. Wie ich langfristig zu dieser Platte stehe, das werde ich vielleicht erst in mehreren Jahren wissen und ich schließe noch immer nicht aus, dass ich Humanz eines Tages mögen werde. Mit Plastic Beach hatte ich am Anfang auch so meine Probleme und mittlerweile ist es sogar mein Lieblingsalbum der Gorillaz. Für den Moment jedoch bin ich einfach nur ziemlich enttäuscht und fühle mich persönlich von Damon Albarn verraten. Folglich werde ich die nächsten Wochen erstmal noch ein bisschen eingeschnappt sein und rumbocken. Aber ich habe schließlich auch schon die grauenvolle letzte Blur-LP überwunden, also werde ich das hier auch schaffen. Alles wird gut, Leute.





Persönliche Highlights: Ascension / Strobelite / Momentz / Submission / Busted & Blue / Hallelujah Money / We Got the Power

Nicht mein Fall: Saturnz Barz / Carnival / Let Me Out / Sex Murder Party

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