Freitag, 7. April 2017

Schluss mit lustig

Ich erwähne es wahrscheinich mittlerweile schon inflationär, aber es ist doch tatsächlich so, dass ich mittlerweile seit fünf Jahren aktiv über Musik schreibe. Und mitunter kann das ein großes Glück sein, wie dieses Album mal wieder zeigt. Denn hätte ich nicht damals schon jeden Mist gehört, der mit vor die Lauschlappen fiel, hätte ich A Hairshirt of Purpuse womöglich gar nicht erst angehört. Der Zufall will es jedoch, dass meine Wege die der Bostoner Band Pile vor einiger Zeit schonmal kreuzten. Genauergesagt im Oktober 2012, als ihr viertes Album Dripping erschien. Damals war es gerade tierisch cool, als Indie-Act so zu klingen wie eine Noisepunk-Gruppe in den Achtzigern, was innerhalb kürzester Zeit eine ganze Lawine Nachwuchs-Sonic Youths, -Pixies und Dinosaur Jr.'s über die Musiklandschaft spülte, von denen die meisten eher weniger spektakulär waren. Auch Pile gehörten damals dazu, aber man sprach trotzdem über sie, weil ihre Art von Musik eben gerade schwer en vogue war. Und Dripping war immerhin ein erster Achtungserfolg, mit dem das Quartett auf den Zetteln diverser Blogs landete und vielleicht ein beliebter Newcomer hätte werden können, hätte es an diesen ersten Aha-Moment angeschlossen. Doch neues Material blieb abgesehen von einigen Singles und Seven-Inches lange Zeit eher rar und als 2015 der offizielle Nachfolger You're Better Than This erschien, hatte die Welt die Bostoner lange nicht mehr auf dem Schirm. Und auch ich dachte erstmal, A Hairshirt of Purpose sei dieses Jahr endlich das Album nach Dripping, auf das mittlerweile niemand mehr wartete, weshalb ich relativ entspannt in den ersten Hördurchgang startete. Was mich dort jedoch erwartete, war eine regelrechte Goldgrube an fantastisch gemachter und energischer Indiemusik.Wenn man sich diese LP so anhört, möchte man glauben, dass Pile die bisherigen acht Jahre (immerhin!) ihres Bestehens lediglich damit zugebracht haben, den richtigen Sound zu suchen, um jetzt wirklich mal alles zu geben und ein kleines Meisterwerk zu komponieren. Denn nicht weniger ist A Hairshirt of Purpose. Stilistisch ist hier immernoch eine ganze Menge vom punkig-noisigen Sound der letzten Projekte übrig, doch haftet den Songs diesmal eine tiefe Dramatik und Agonie an, die eher an Außenseiter wie Slint oder Joy Division erinnert. Auf der anderen Seite verstärkt die Band hier den Einsatz sanfter Indieklänge, die wiederum etwas von Modest Mouse, Nick Cave oder den Afghan Whigs in sich tragen. Klanglich ist hier also definitiv viel zu holen. Doch wer denkt, das Album sei lediglich die Collage diverser erlesener Einflussgeber, der unterschätzt das ganze bei weitem. Vor allem die Performance von Chefdenker und Frontmann Rick Maguire ist nicht weniger als faszinierend. Seine eindrücklichen, apathischen Texte fallen hier erstmals wirklich auf und die wahnsinnig ehrliche und bestiale Art, wie er sie singt, ist das absolute Highlight in jedem einzelnen Track hier (außer natürlich im leider komplett instrumentalen I Don't Want to Do This Anymore). Sie allein ist dafür verantwortlich, dass Pile hier diesen qualitativen Sprung machen, denn Maguire offenbart hier plötzlich all sein bisher verborgenes Charisma. Ganz nebenbei sind auch die Gitarrenlines und das elegante Drumming ziemlich geil. Denn erst zusammen ergeben sie so formvollendete Songs wie Hissing for Peace, Leaning On A Wheel oder Slippery. In gewisser Weiser erinnert A Hairshirt of Purpose dadurch an einige meiner persönlichen Lieblingsplatten wie Slints Spiderland, Marching Churchs This World is Not Enough oder the Lonesome Crowded West von Modest Mouse. Wobei ich auch ganz ehrlich sagen muss, dass ich es, um es wirklich einordnen zu können, noch etwas Zeit brauche. Es könnte sein, dass sich diese LP zu einem Favoriten dieses Jahres entwickelt, doch genauso wahrscheinlich ist es, dass ich die in zwei Wochen nicht mehr hören will. Aber allein schon die Tatsache, dass Pile diese Vertiefung bei mir anregen, spricht eindeutig für sie. Und ihr bisher bestes Album haben sie hier auf jeden Fall gemacht. Wenn das mal reicht.





Persönliche Highlights: Worms / Hissing for Peace / Milkshake / Leaning On A Wheel / Hairshirt / Making Eyes / Slippery / Fingers

Nicht mein Fall: I Don't Want to Do This Anymore

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