Sonntag, 16. April 2017

Cockrock mit Nudelsalat

Seit mittlerweile über 20 Jahren ist die Münchner Band Colour Haze die wahrscheinlich sicherste Kiste an gutem Psychedelic- und Stonerrock, die die deutsche Musiklandschaft zu bieten hat, vielleicht sogar in ganz Europa. Während sich eine wirklich gehaltvolle Infrastruktur an Künstler*innen wie Obelysskh, Okta Logue und Kadavar hierzulande mehr oder weniger erst in den letzten fünf Jahren herausbildete und im Moment auch schon wieder im Zerfall begriffen ist, grooven sich die Bayern schon seit einer halben Ewigkeiten durch die Botanik, haben eine wahnsinnig treue Fanbase und verteidigen diese mit einem grandiosen Album nach dem anderen. Ich selbst bin bedauerlicherweise noch nicht so lange dabei und kenne nur die letzten beiden Alben She Said und To the Highest Gods We Know wirklich ausführlich, doch auch die allein haben ausgereicht, um mich ebenfalls von dieser Band zu begeistern und auch ich kann von ihnen nur in den höchsten Tönen sprechen. Deshalb ist es umso peinlicher, dass mir ihre neueste Doppel-LP In Her Garden, die vor gut einem Monat erschien, völlig durch die Lappen ging. Und auch wenn ich verspätete Besprechungen sonst ziemlich verachte, wollte ich mir diesen Fauxpas in unter keinen Umständen vorwerfen lassen und habe jetzt die Gunst der Stunde genutzt, um an dieser Stelle noch ein paar Gedanken zu dieser Platte zu verfassen. Dabei muss ich aber leider feststellen, dass wir es hier mit einer der eher schwächeren Performances zu tun haben, die man von den Münchnern zuletzt gehört hat. Zumindest in der Hinsicht, dass Colour Haze es hier sehr zurückhaltend und vorsichtig angehen. Zwar waren ihre Songs noch nie dafür bekannt, sonderlich originell zu sein und große stilistische Hakenschläge vorzunehmen, doch war ihr mutiges Songwriting immer einer der Punkte, der sie für mich so viel spannender machte als die meisten ähnlich klingenden Kolleg*innen. In Her Garden hingegen könnte man als verhältnismäßig monotones Album beschreiben, dass zwar die kompletten 73 Minuten Spielzeit ordentlich durchföhnt, dabei aber immer auf ein und derselben Schiene fährt und wenige Überraschungen parat hat. Sicher sind das Einbeziehen von Bläsern und psychedelischen Orgeln nette Gimmicks, aber prinzipiell nichts, was man von dieser Band nicht schon gehört hätte. Die einzige Ausnahme ist vielleicht Lotus, in der die Interaktion mit dem neuen Instrumentarium richtig gut klappt, was allerdings auch die Frage aufkommen lässt, warum das nicht auch beim ganzen Rest der Fall ist.  Denn zum überwiegenden Teil klingen die meisten Songs hier zwar nach wie vor fantastisch, aber eben auch zum Verwechseln ähnlich. Und auf einer Platte, die über eine Stunde geht, merkt man das irgendwann sehr deutlich. Besonders die langen Stücke wie Islands oder Skydance sind schwere Geduldsproben und obwohl zur Kontastierung ein paar Interludes eingefädelt wurden, wirken diese eher halbherzig und versteift. Stefan Kogleks endloses Riff-Genudel findet man wahrscheinlich auch nur noch dann so richtig geil, wenn man es hier zum ersten Mal hört und ab und an beschleicht mich hier der Verdacht, das ein oder andere Motiv auf einer vorherigen LP schon mal gehört zu haben. Was nach wie vor richtig gut klappt, ist der herrlich pappige, organische Sound des Albums und so sehr wie Koglek langweilt, so sehr begeistert an vielen Stellen Manfred Merwalds Schlagzeugspiel, ohne das große Teile der Tracks sicherlich noch ermüdender klingen würden. Wie man sich aber denken kann, ist das alles Jammern auf wahnsinnig hohem Niveau. Trotz arger Patzer gelingt Colour Haze mit In Her Garden ein nach wie vor sehr solides Album, das man sich von so mancher Band ihres Fachs schon seit langem mal wieder wünscht. Wer nach altbewährten Stärken der Bayern sucht, findet diese hier auf jeden Fall, nur funktionieren sie meiner Meinung nach auf den meisten ihrer anderen Platten besser. Ein paar richtig gute Songs wie Lotus und Labyrinthe kommen am Ende trotzdem rum. Also ist am Ende alles halb so wild. Das Kuriosum dieser LP ist sicherlich, dass es für Neueinsteiger besser funktionieren dürfte als für altgediente Fans der Band. Und weil es nach 20 Jahren musikalischer Aktivität unter den Hörern wahrscheinlich mehr von letzterem gibt, dürfte die Sache eben kompliziert werden. Zumindest wenn man mal davon ausgeht, dass diese Fans nicht sowieso alles feiern, was diese drei Typen veröffentlichen.





Persönliche Highlights: Black Lilly / Magnolia / Lavatera / Labyrinthe / Lotus / Skydancer

Nicht mein Fall: Islands

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