Samstag, 15. April 2017

Mein Gott Kendrick!

Der gewagte Move, am Ende des letzten Jahres Kendrick Lamars B-Seiten-Kollektion Untitled. Unmastered. zu meinem offiziellen Lieblingsalbum 2016 zu küren, ist noch immer eine Sache, über das ich mir im Nachhinein nicht wirklich sicher bin. Vielleicht hätte jemand anderes diese Platzierung eher verdient gehabt und der Fakt, dass die Platte keine wirklich eigenständige ist, trägt definitiv schwer. Wobei ich mir jedoch sicher bin, dass besagte LP das bisher beste Gesamtwerk des Kaliforniers ist. Und wenn ich sage bisher, dann meine ich damit, dass sie das auch nach Damn bleibt. Denn noch ein Album des Jahres hat KDot mit seinem "richtigen" Nachfolger zu To Pimp A Butterfly ganz bestimmt nicht gemacht. Und möglicherweise ist das auch Absicht. So stabil, wie Lamar die Serie an gigantischen HipHop-Konzeptwerken seit seinem Debüt Section.80 von 2011 durchgezogen hat, ist eine etwas knapper gehaltene, stilistisch direkte LP wahrscheinlich die beste Option für ihn. Zwar ist Damn trotz allem noch ein ziemlich umfangreicher Story-Brocken, der mit jeder Zeile großartige Botschaften absondert, doch innerhalb dieses Kontextes wurde sich deutlich zurückgehalten. Lediglich 55 Minuten Spielzeit füllen die 14 Tracks hier, außer Lamar selbst sind mit Rihanna, U2 (!) und Zacari nur drei andere Künstler als offizielle Features zu hören und die Stücke selbst sind wesentlich einfacher konzipiert und haben eine fast poppige Ästhetik an sich. Solche Musik hat man von ihm relativ lange gehört. Wobei sich Damn darauf natürlich nicht beschränkt, vor allem auf textlicher Ebene. Bereits jetzt haben sich um einzelne Lines des Albums einige krasse Verschwörungstheorien gebildet und inhaltlich gibt KDot das auf jeden Fall her. Grob gesagt ist diese Platte Lamars ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema Religion, in der der Rapper sich selbst als eine Art (HipHop-) Messias porträtiert, inklusive dramatischem Ableben am Ende. Dazu passt natürlich das Veröffentlichungsdatum am Karfreitag und auch das Video zur Leadsingle Humble bekommt dadurch den ein oder anderen Aha-Moment verpasst. Auch in der Tracklist verbergen sich einige clevere Anspielungen, beispielsweise dass hier die beiden Songs Fear und God aufeinander folgen (was im englischen dazu führt, dass man sagt "fear before god", also 'Gottesfurcht'). Im Prinzip macht Lamar damit aber nichts, was er nicht vorher auch schon gemacht hätte. Das Philosophieren über seine soziale Herkunft in DNA, lyrische Verweise auf Passagen in der Bibel in Element, Stories aus seine comptoner Kindheit in Element oder Reflexionen seines Lebens als Celebrity in Feel: So gut wie alles davon hätte bereits auf früheren Alben von ihm Platz gefunden und wäre dort vielleicht sogar besser aufgehoben gewesen. Das einzige wirklich neue hier sind seine Kommentare über seinen Status als Rapper, der ihm von den Medien zurzeit zugeschrieben wird. Und obwohl sich diese größtenteils in ziemlich simpler Angeberei äußern, ist die Art, wie er diese in Szene setzt, einigermaßen genial und sorgt für haufenweise gute Punchlines. Was die musikalische Dimension der Platte angeht, so bin ich an vielen Stellen mal wieder nicht so begeistert von KDot. Dieses Problem hatte ich schon auf früheren Platten von ihm, doch hier ist es mal wieder sehr auffällig. Das Album schafft es beispielsweise nicht, klanglich einen roten Faden einzuhalten, was das umfangreiche Story-Konzept in meinen Augen ein wenig stört und in Yah und Lust höre ich persönlich eine ganze Menge Drake heraus, was irgendwie nicht so richtig zum angeblichen Beef der beiden passt. Auch die Tatsache, dass Lamar hier allgemein mehr singt, finde ich nicht unbedingt so geil. Zwar ist er kein schlechter Sänger, aber doch ein deutlich besserer Rapper. Und in manchen Songs kommt mir das irgendwie zu kurz. Der Teufel steckt bei diesem Album definitiv im Detail und deshalb bleibt es trotz einer Vielzahl an Mangelerscheinungen für mich am Ende ein sehr vertretbares Gesamtwerk. Kendrick Lamar haut mich hier nicht total um, doch er schafft es definitiv weiterhin, sehr kreative Ideen fantastisch umzusetzen und eine äußerst gehaltvolle Story abzuliefern. Ein weniger beeindruckendes Erlebnis springt nun mal dabei raus, wenn man sich dazu entschließt, kleinere Brötchen zu backen. Mir wäre zwar am Ende ein neues, besseres To Pimp A Butterfly doch lieber gewesen, aber dann wäre KDot diesen Dezember wahrscheinlich schon wieder auf der Eins und das will ja keiner. So sorgt Damn zumindest für Abwechslung. In vielerlei Hinsicht.





Persönliche Highlights: Blood / Element / Feel / Humble / XXX / Duckworth

Nicht mein Fall: Loyalty / Pride / Love / God

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