Montag, 17. April 2017

Tagessieger

Da ich die nächsten vier bis fünf Tage unterwegs sein werde und deshalb regelmäßige neue Posts erstmal ausfallen müssen, habe ich heute das letzte Mal die Möglichkeit, eine aktuelle Platte zu besprechen, bevor am Freitag Release-technisch wieder die neue Woche anfängt (unter anderem mit Alben von Incubus, Artificial Brain, Cult of Luna und Obelysskh, nur mal so). Da aber für diesen Zeitraum noch zwei LPs auf meiner Liste standen, musste ich mich für eines von beiden entscheiden. Eigentlich war mein eigener Favorit dabei das neue Album AZD von Actress, das spannenden experimentellen Electronica versprach und das ich an dieser Stelle trotzdem allen Freunden solcher Musik empfehlen möchte. Little Dragon waren als Alternative eigentlich nur deshalb eine Option, weil ich in der Vergangenheit schon über sie geschrieben hatte und einige meiner Leser*innen die Band anscheinend ganz gerne mögen. Ich persönlich dachte im Vorfeld jedoch, dass Season High mich nicht sonderlich anheben würde. Zu langweilig fand ich vor drei Jahren ihr letztes Album Nabuma Rubberband und ein wirklich großer Fan ihres Stils war ich ohnehin noch nie. Auch die bisherigen neuen Singles waren nicht wirklich der Brüller. Schlussendlich steht aber jetzt doch ihr Name hier oben, was bedeuten muss, dass irgendetwas an dieser Platte doch nicht so verkehrt sein kann. Und tatsächlich muss ich zugeben, dass mich die Schweden hier kalt erwischt haben. Season High ist vielleicht der beste Little Dragon-Longplayer seit dem Fan-Liebling Ritual Union von 2011, vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Was mich daran aber besonders freut ist, dass ich einsehen muss, wie falsch ich mit meinem Urteil über sie lag. Vor drei Jahren empfand ich ihre neue stilistische Ausprägung als zu robotisch und kalkuliert, doch hier funktioniert ein sehr ähnliches Konzept plötzlich wunderbar. Der Sound von Season High ist nach wie vor sehr elektronisch und unterkühlt, doch lässt sich die Band davon diesmal nicht die Show stehlen. Sängerin Yukimi Nagano singt hier wieder mit jeder Menge Charisma und macht wie früher selbst aus dem krudesten Ambient-Gestotter einen garstigen Ohrwurm (siehe Don't Cry). An manchen Stellen, wie in the Pop Life kehren Little Dragon für diesen Effekt zwar auch klanglich wieder etwas zu ihrem früheren, bunten Sound zurück, doch fallen solche Stücke nicht aus dem Rahmen oder klingen konservativ. Selbst der Feature-Part von Agge (wer ist diese großartige Person?) im Opener Celebrate passt überraschend gut ins Gesamtbild. So etwas wie einen richtig schlechten Song gibt es hier sowieso nicht, allerhöchstens der Refrain von Push wird bei häufigerem Hören etwas nervig. Womit unterm Strich eine Platte herauskommt, wie ich sie von Little Dragon an diesem Punkt ihrer Karriere nicht erwartet hätte. Es gibt hier echte Hits und großartige Aha-Momente, gleichzeitig aber auch sehr experimentelle Passagen und man hat im großen und ganzen das Gefühl, dass die Schweden sich damit sehr wohl fühlen. Man könnte Season High also als eine Win-Win-Situation beschreiben. Und vielleicht schafft es diese LP sogar, dass ich am Ende auch noch zu einem Fan werde. Möglich ist es auf jeden Fall.





Persönliche Highlights: Celebrate / the Pop Life / Butterflies / Should I / Don't Cry

Nicht mein Fall: Push

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