Donnerstag, 13. April 2017

Menschen Leben Tanzen Welt

Eigentlich hätte sich die Besprechung des kommerziellen Debüts der Chainsmokers für jemanden wie mich erübrigen können, da das Resultat einer solchen quasi schon klar ist: So richtig gibt es niemanden, der das Produzenten-Duo aus New York gut findet (außer vielleicht Chris Martin) und gerade in der letzten Woche übertreffen sich die Blogs gegenseitig damit, Memories...Do Not Open mit dem fiesesten Verriss zu schmähen. Und wenn es um so etwas geht, will ich unbedingt auch dabei sein. Nicht, um fröhlich mitzumobben, sondern eher, um in der ganzen Sache meine eigene Perspektive zu finden. Schließlich ist es in der Vergangenheit schon häufiger vorgekommen, dass ich kollektiv gebashte Projekte eigentlich richtig gut fand und die Tatsache, dass ich bisher aktiv wirklich wenig von den Chainsmokers gehört habe, lässt mich hier auch relativ unvoreingenommen sein. Es könnte daran liegen, dass die beiden zu der Sorte namenlosem Radiofutter gehören, die man eben nicht weiter beachtet, aber ich hätte im Vorfeld dieses Albums tatsächlich keine drei Songs von ihnen aufzählen können. Zumindestens das sollte ich jetzt vielleicht mal ändern. Wobei ich auch nach dieser LP sagen muss, dass meine Motivation dazu eher gering ausfällt. Denn ein bemerkenswertes Ereignis ist diese Platte tatsächlich in keiner Weise. Weder ist sie so grauenvoll, dass man sich noch monatelang darüber das Maul zerreißen kann noch bietet sie irgendetwas auch nur ansatzweise erinnerungswürdiges Gutes, um sie dafür zu würdigen. Sie ist einfach nur ekelhaft generisch. Jeder einzelne der zwölf Songs hier könnte auf so ziemlich jedem Radiosender laufen und bei keinem würde man auch nur eine Sekunde von einer beliebigen anderen Tätigkeit abgelenkt sein. Und das schlimme dabei ist: die Chainsmokers scheinen das gar nicht anders zu wollen. Memories...Do Not Open ist bis in die Haarspitzen kaputtoptimierte Zielgruppen-Kommerz-Musik, die nicht eine Spur von Organität aufweist und sich dafür feiert. Dies äußert sich zum einen flächendeckend in den Instrumentals, die sind aber tatsächlich noch das geringere Übel. Man könnte sich bei manchen vorstellen, dass eine charismatische Sänger*in, sagen wir Sampha, Lorde oder Frank Ocean, diese sogar zu einem guten Song machen könnte. Aber auch das wissen die beiden sofort zu vermeiden. Mit Künstler*innen wie Louane, Emily Warren oder Florida Georgia Line sind jedoch ein paar Gäste vertreten, die absolut keine eigene Persönlichkeit mitbringen und sich so perfekt in die spiegelglatte musikalische Oberfläche einpassen. Das schlimmste sind dabei eigentlich die Texte: Für mich gibt es nichts schlimmeres als Stücke, die sich um den größtmöglichen Tiefgang bemühen, dabei aber auf ganzer Linie versagen und am Ende mit einer Message stehen bleiben, die beinahe kontraproduktiv ist. Und leider ist auf dieser LP so gut wie jeder Track davon betroffen. Selber Schuld, möchte man sagen, denn mit ihrem Ruf hätten die Chainsmokers sicher den ein oder anderen talentierten Gast bekommen können. Der einzige, der mir für diesen Move ein wenig Leid tut, ist dann tatsächlich Chris Martin in Something Just Like This, der eine bessere Performance eigentlich drauf gehabt hätte. Aber die Kreativ-Cyborgs scheinen auch ihn hier assimiliert zu haben. Den vielleicht besten, wenngleich ebenfalls nicht besonderen Beitrag leistet indes Jhené Aiko in Wake Up Alone, die wenigstens ein Mindestmaß an Charakter zeigt. Am schlimmsten wird es auf der anderen Seite immer dann, wenn sich die Bandmitglieder selbst ans Mikro wagen, was bedauerlicherweise auf den meisten Cuts der Fall ist. Und wenn jemand ohne seine Featured Artists nicht überlebensfähig ist, kann man ihn eigentlich direkt abschreiben. Im Falle der Chainsmokers ist dies auch definitiv das beste, was man machen kann. Wenn ich mir diese Platte so anhöre, wird wahrscheinlich selbst das Formatradio nicht mehr lange Lust auf eine so statische und unkreative Form von Popmusik haben, zumal charismatische Elektro-Produzenten gerade echt keine Mangelware sind. Die Welt wird vergessen, dass es diese beiden Typen jemals gegeben hat und alle werden sich fragen, warum sie sich im Frühjahr 2017 über ein dermaßenes Nichts so aufgeregt haben. Man hätte ja stattdessen auch über das neue Album von Nelly Furtado schreiben können, das übrigens richtig gut ist. Naja, nachher ist man immer schlauer.





Persönliche Highlights: Don't Say / My Type / It Won't Kill Ya / Last Day Alive

Nicht mein Fall: Something Just Like This / Paris / Honest

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