Montag, 1. Mai 2017

Zehn Songs im April 2017 (Ufo361, Oiseaux-Tempête, Joey Bada$$, At the Drive-In etc.)

1. OISEAUX-TEMPÊTE FEAT. G.W. SOK
Through the Speech of Stars
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Die Beteiligung des Spoken Word-Künstlers G.W. Sok war auf dem letzten Album von Oiseaux-Tempête eines der wenigen Dinge, die ich daran nicht mochte und entsprechend skeptisch war ich, ihn diesmal wieder auf der Gästeliste der Franzosen zu sehen. Nach einer kompletten gemeinsamen Tour, in der Sok einen Großteil des Band-Repertoires ausschmückte, war das jedoch auch abzusehen. Und ich muss zugeben, dass die beiden Parteien inzwischen ziemlich gut warm miteinander geworden sind. Auf dem mit 17 Minuten längsten Track der neuen Platte ist der Redeanteil des Gastes diesmal tatsächlich eine immense Aufwertung. Nicht nur für den Song an sich, sondern für das komplette Album. Fast nebenbei ist natürlich auch die Performance der Musiker selbst absolut fantastisch. Aber das dürfte mittlerweile klar sein.

2. UFO361 FEAT. GZUZ
Für die Gang
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Zuerst war ich ja ziemlich skeptisch, was diesen Song angeht: Ufos berühmt-berüchtigter Lokalanästhesie-Flow ist mir schon lange Suspekt und hier ganz besonders brabbelig, was in einem Track mit einer ernsthaften Message logischerweise ziemlich ungünstig ist. Und auch Gzuz hatte gerade in letzter Zeit durchaus bessere Parts als diesen. Mittlerweile bin ich mir aber sicher, dass Für die Gang eines der HipHop-Highlights 2017 ist. Einerseits gerade wegen dieser Kontroverse, andererseits weil dieses Stück Musik eben trotzdem kein postironischer Sad Boy-Müll ist, sondern bei genauerem Hinhören sogar ziemlich tough. Außerdem ist es natürlich ein verdammter Banger, der bei mir den letzten Monat ungelogen in Endlosschleife lief. Und 30 Tage später will jeder in Deutschland so eine Gang wie Ufo haben.

3. JOEY BADA$$
Amerikkkan Idol
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Es gibt auf dem neuen Album von Joey Bada$$ jede Menge gute Sachen: Fette Beats, heftige Banger, großartige Features und viel viel Realtalk. Am meisten beeindruckt hat mich dabei jedoch der Closer der Platte, den der Rapper ganz allein bestreitet und in dem er vor allem im letzten Teil noch einmal die Essenz der eben gehörten 40 Minuten einkocht. Dabei hört er sich hier so menschlich, verwundbar und ehrlich an, dass man einfach beeindruckt sein muss. Nachdem der eigentliche Song musikalisch eigentlich schon vorbei ist, lässt Joey ungeschönt und Freestyle-artig noch einmal seinen ganzen Frust raus und macht seinen Emotionen Luft. Am Ende steht dabei ein Conscious-Rap-Brocken von über sechs Minuten, der dem eh schon richtig guten neuen Album die Krone aufsetzt. Respekt für diesen Mann!

4. TIMBER TIMBRE
Bleu Nuit
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Auf dem sehr guten neuen Album von Timber Timbre finden sich sicherlich spannendere, experimentellere und abgefahrenere Tracks als Bleu Nuit, aber dennoch ist das vierminütige Instrumentalstück im Moment mein persönlicher Favorit der LP. Es zeigt vor allem bekannte Stärken der Kanadier, doch verbindet es diese sehr gut mit den neuen elektronischen Einflüssen und sprudelt an genialen Ideen. Gleich zu Anfang holt einen das smoothe Saxofonsolo beim Vorgänger ab und lässt einen dann nach und nach in die unterkühlte Finsternis hinab. Highlight des Songs sind die Vocoder-Gesangsspuren im zweiten Part, die noch einmal viel Wärme in den Mix bringen und außerdem eine ziemliche Überraschung im Sound dieser Band sind. Im Vergleich zu dem, was man auf dem Rest der Platte hört aber eher konservativ.

5. KAMASI WASHINGTON
Truth
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Schon wieder ein ziemlich langer Song (14 Minuten und 15 Sekunden) und schon wieder Jazz. Außerdem das erste Mal, dass ich mich vom großen Kamasi Washington wirklich beeindruckt zeige. Zwar ist der Track abgesehen von seiner Länge und Struktur nichts wirklich besonderes, doch man kann hier auch wenig falsch machen. Er ist ein imposanter Trip durch alle Spielarten des Genres unter Einsatz vielfältiger Instrumentation, das zugehörige Video ist der Oberhammer und das Ding klingt obendrein fantasttisch. Wahrscheinlich ist es dabei sogar besser, kein besonders großer Jazz-Fan zu sein, denn der Genuss liegt hier tatsächlich darin, sich von Washington einfach berieseln zu lassen. Ein bisschen Musik zum Staubsaugen eben, aber die beste, die ich seit einer ganzen Weile gehört habe.

6. SHABAZZ PALACES FEAT. THADILLAC
Shine A Light
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Nach der experimentellen Grenzerfahrung, die vor drei Jahren das letzte Album der Shabazz Palaces war, ist Shine A Light so ziemlich die unwahrscheinlichste Leadsingle für den kommenden Longplayer, aber wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, entfaltet er seine ganze Schönheit: Das HipHop-Duo aus Seattle kreiert hier eine herrliche Soul-Schmachtnummer, wie sie Al Green und Curtis Mayfield zusammen nicht besser hinbekommen hätten, gehen aber wie immer den kleinen Schritt weiter. Thadillacs Hook ist in tonnenweise Autotune eingelegt und stark LoFi-behaftet, während Ishmael Butler in den Strophen seine ruhige Kugel schiebt. Allermindestens macht dieser Song neugierig auf den kommenden Longplayer, der hoffentlich genauso gut wird wie die letzten beiden. Bis dahin werden allerdings noch über zwei Monate vergehen müssen.

7. LITTLE DRAGON
Don't Cry
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Auf dem sonst eher wieder zugänglichen neuen Album der Schweden ist Don't Cry einer der experimentelleren Songs, doch sticht er gerade deshalb so heraus. Die ätherische Synthballade ist der perfekte Kontrast zu den Hits und wirkt als solcher sogar ziemlich Deep. Vor allem finde ich aber beeindruckend, dass Little Dragon es mittlerweile auch schaffen, einen komplett strukturlosen Track zu schreiben, der trotzdem so formvollendet daherkommt. Unter den vielen schönen Stücken des überraschenderweise guten Season High damit definitiv der beste.

8. WOODS
Bleeding Blue
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Ich kann mir vorstellen, dass viele diesen Track vielleicht zu hemmungslos euphorisch finden, um ihn ernst zu nehmen, aber ich für meinen Teil war schon nach den ersten Tönen verliebt. Die herrlich dreiste Bläser-Fanfare, gepaart mit der ungezwungen hippiesken Orgel und den harmlosen Vocals sind eine Gute Laune-Bombe, wie ich sie dieses Jahr noch nicht gehört habe und damit mit Abstand der coolste Einzelsong auf Love is Love, dem neuen Longplayer der New Yorker. Man möchte direkt Shorts anziehen, an den nächstgelegenen See fahren und dort das schon lange überfällige Anbaden vollziehen. Und das ganze soll dann bitte Wes Anderson cinematisch festhalten. Danke.

9. PILE
Hissing for Peace
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Das neue Pile-Album ist ja eigentlich eher eine melancholische Übung in depressivem Indierock, aber man freut sich natürlich auch über Unreinheiten in der Oberfläche. Und Hissing for Peace ist in dieser Hinsicht ein kolossales Postpunk-Loch in der schummrigen Fassade. Schnell, laut, aggressiv und hitzköpfig donnert es gegen das gerade erst begonnene A Hairshirt of Purpose an und will Aufmerksamkeit. Und die bekommt es auch, weil es gleichzeitig auch einer der besten Songs auf selbigem Longplayer ist und ein Highlight für Pile überhaupt. Man sollte von diesem Track um Gottes Willen nicht auf den Rest der Platte schließen, aber man sollte ihn definitiv hören. Wobei er im Gesamtkontext natürlich am geilsten ist.

10. AT THE DRIVE-IN
Hostage Stamps
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Das Comeback von At the Drive-In ist eine Sache, die ich von Anfang an äußerst skeptisch rezipiert habe und die ich bisher auch alles andere als unkritisch sehe. So fand ich die bisherigen zwei neuen Singles zwar gut, aber nicht gut genug für diese Band. Es brauchte erst diesen Track, um mich wirklich glauben zu lassen, dass das nächste Woche erscheinende neue Album (das erste in 17 Jahren!) doch ziemlich zufriedenstellend werden könnte. Auf Hostage Stamps klingen die Texaner wieder so angepisst und zynisch wie zu ihren besten Zeiten, haben gleichzeitig aber auch eine neue Politur, die nach so langer Pause auch nur gut und richtig ist. In Kombination mit dem gelungenen erhobener-Zeigefinger-Video ist es die Single, die zeigt, dass At the Drive-In tatsächlich zurück sind.

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