Donnerstag, 11. Mai 2017

Der Frust kommt in die Mitte

Als ich Ende des Jahres 2014 das erste Mal über eine Platte von Full of Hell schrieb, war die Band aus Ocean City, Maryland ein Newcomer-Act. Ihr Black Metal- und Noise-infizierter Grindcore war maximal brutal, ihre Songs selten über eine Minute lang, ihr Auftreten extrem und ihr größter Fan eher zufällig die japanische Noise-Legende Merzbow. Mit jenem selbstbetitelten Kollaborationsalbum begann vor zweieinhalb Jahren ein zunächst verhaltener Szene-Talk über das Quartett, der sich mittlerweile jedoch zum Lauffeuer verbreitet hat. Inzwischen sind Full of Hell beim Edel-Indie Profound Lore unter Vertrag, machen Musik mit Nails und the Body und ihre Konzerte gelten als Ereignis. Und mit ihrem ersten Soloalbum seit nunmehr bereits vier Jahren wird die Band dieser Tage gleich noch einmal extra geadelt: Für die Produktion des neuesten Longplayers zeigt sich niemand geringeres verantwortlich als Converge-Gitarrist und Hardcore-Eliteproduzent Kurt Ballou. Und wenn dieser sich junge Acts vornimmt, kann man meistens Wetten darauf abschließen, dass diese Leute es im Business zu etwas bringen werden. In den letzten Jahren hat er heutige Erfolgsmodelle wie Swain oder Code Orange bertreut, also stehen die Zeichen für Full of Hell hier gut. Zumindest, wenn man die künstlerische Ebene mal ausblendet. Denn hier hat die Zusammenarbeit mit Ballou viele erhebliche Nachteile. In ihrer Frühphase wurden Full of Hell sehr häufig mit Converge verglichen, was man ihnen in meinen Augen noch immer ziemlich anhört. Und wenn nun auch noch das Mastermind jener Band hier hinterm Mischpult steht, ist die Sachlage klar: Auf Trumpeting Ecstasy klingen die Jungs nicht mehr so richtig nach sich selbst. Der zermalmende, nervensprengende Sound, der damals auf dem Merzbow-Album etabliert wurde und den ich so unglaublich gerne mochte, wird hier durch die Signature-Elemente einer Ballou-Produktion abgelöst. Pumpendes Schlagzeug, viele Bässe, aufgeräumte Ästhetik. Bei den meisten anderen Künstler*innen führt dies dazu, dass die Musik druckvoller und klarer klingt, hier hingegen wird sie dadurch eher schwammiger und öder. Vor allem fällt dadurch aber die Einzigartigkeit des Full of Hell-Klangs weg. Auf Trumpeting Ecstasy gibt es wenig, was es nicht auch bei tausend anderen Bands dieses Kalibers wie Nails oder Wormrot gibt und alles ist ein bisschen mehr 08/15. Das liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil auch daran, dass Full of Hell eben nicht die besten Komponisten sind, aber bisher wussten sie sich damit ja trotzdem immer zu helfen. Was hier passiert ist, könnte man als einen dumm gelaufenen in Erfüllung gegangenen Traum für die Amerikaner bezeichnen, weil hier einer ihrer musikalischen Helden eines ihrer bisher schwächsten Releases produziert. Aber naja. Diejenigen, die die Band hier zum ersten Mal hören, werden wahrscheinlich trotzdem von den Socken sein und Full of Hell mit Pauken und Trompeten in die Mitte der Hardcore-Gesellschaft aufnehmen, so wie man das mit Ballou-Platten eben macht. Nur dass diese Jungs in meinen Augen nie so richtig dahin gehören werden. Dafür habe ich von ihnen schon zuviel gehört. Und als Outsider haben sie mir besser gefallen.





Persönliche Highlights: Branches of Yew / the Cosmic Vein / Crawling Back to God / Trumpeting Ecstasy / At the Cauldron's Bottom

Nicht mein Fall: Deluminate / Digital Prison / Ashen Mesh

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