Donnerstag, 25. Mai 2017

Platz da

Man weiß nicht genau wie, aber irgendwie haben es Käptn Peng und seine Tentakel in die deutsche Mainstream-Landschaft geschafft. Auf der gerade stattfindenden Tour verkauft das verspulte Weirdo-Kollektiv inzwischen kleinere Hallen aus, in denen auf einmal alle Leute die Texte vom Debüt können und die letzte Peng-Platte Expedition ins O hat es seit ihrer Veröffentlichung 2013 sogar mal kurz in die Albumcharts geschafft. Und der Grund dafür ist eigentlich offensichtlich: die Tentakel sind sympathisch. Robert Gwisdek gibt hier auf sehr eigene Weise den existentiellen Kritiker mit einer gesunden Menge abgefucktem Humor, die Songs dazu sind charmant rustikal, eingängig und bringen den Leuten HipHop näher, die sich eigentlich nicht so richtig trauen, HipHop zu hören. Über die Jahre haben die Berliner damit einen wahnsinnig ansteckenden eigenen Stil entwickelt, der dem Hörenden Respekt abverlangt. Denn so sehr die Tentakel von Rap-Nerds auch verlacht werden, fehlende textliche Tiefe und Schreib-Skills kann man ihnen nicht absprechen. Was für mich in den letzten Jahren viel eher zum Problem geworden ist, ist die Entwicklung der Band hin zur Gemütlichkeit. Schon in meiner Besprechung zu ihrem Live-Album im Januar sprach ich an, dass mir zumindest auf musikalischer Ebene bei ihnen etwas die Vielfalt fehlt. Und meine große Befürchtung für Das nullte Kapitel war, dass diese Mangelerscheinung überhand nehmen würde. Vor allem die erste Single WobWobWob war in dieser Hinsicht ziemlich schlimm, da hier zur ewig gleichen Instumentation und Songwriting-Formel auch noch fehlende textliche Tiefe hinzu kam, was in meinen Augen im bisher schlechtesten Einzeltrack der Tentakel resultierte. Ein Album zu hören, das diesem Beispiel folgte, wäre eine bittere Enttäuschung gewesen. Aber die gute Nachricht ist, dass Das nullte Kapitel zumindest keine komplette Katastrophe geworden ist. Es ist eigentloch sogar ganz okay geworden. Und das, obwohl die Strukturen hier dieselben sind wie schon auf dem Vorgänger. Wer wie ich hier auf neue klangliche Impulse oder ein dynamischeres Songwriting gehofft hat, wird in diesen sechzig Minuten definitiv nicht auf seine Kosten kommen. Allerdings hört ja auch keiner Käptn Peng wegen seines Sound-Erlebnisses. Und was den Inhalt angeht, ist die neue Platte nach wie vor erste Sahne. Zwar muss man auch hier sagen, dass sich Gwisdek mal wieder an einem ziemlich abgegriffenem Vokabular bedient, um die immer gleichen Themen zu bequatschen, aber dafür kann er das dann auch richtig gut. Ein weiteres Mal gelingt es Peng hier, auf hirnrissigen Umwegen das menschliche Wesen zu durchdringen, dabei lyrische Hakenschläge zu veranstalten und auch noch richtig witzig zu sein. Das macht er hier sogar noch besser als auf Expedition ins O, weil man die Themen der einzelnen Songs diesmal konkreter fassen kann und nicht mehr alles nur ein gigantischer Gedankenwust ist. In Neue Freunde und Gelernt wird er sogar sehr explizit politisch. Das ist gut und wichtig, denn so gibt es auch auf dieser LP wieder diese Momente, die man ab jetzt beiläufig in Partygesprächen zitieren kann, um sich verdeckt zu outen. Ohne diese hätten in meinen Augen die ersten beiden Platten nicht funktioniert. Gleichzeitig ist Das nullte Kapitel aber auch das Album, das das neue Publikum der Band jetzt braucht. Ein bisschen eingängiger, ein bisschen substanzieller, aber mit den besten Eigenschaften seiner Vorgänger. Wer mit diesem Langspieler anfängt, Peng zu hören, wird das sicherlich genauso genial finden wie ich, als ich vor vier Jahren das erste Mal die Expedition ins O gehört habe. Als kritischer Alt-Anhänger muss ich aber auch meine Bedenken äußern und sagen, dass hier nicht wirklich ein Fortschritt gemacht wird. Wobei das auch zweitrangig ist, wenn sich alles sowieso im Kreis bewegt.





Persönliche Highlights: Das nullte Kapitel / Im Labyrinth / Neue Freunde / Tango im Treibsand / Pi / Pförtner / MC HomoSapiensSapiens / ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ / Backpfeifenernte auf dem Alphabeet / Tier

Nicht mein Fall: Spiegelkabinett / WobWobWob

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