Montag, 29. Mai 2017

Cowboys gegen Wikinger

Aus dem einfachen Grund, dass ich selbst nicht der größte Sólstafir-Fan unter der Sonne bin, ignoriere ich immer wieder gern die Tatsache, wie viele es von denen mittlerweile doch gibt. Gerade im Vorfeld dieses Albums, dem sechsten der Isländer, war unter Postrock- und Folkmetal-Freunden mal wieder die Hölle los und alle redeten darüber, wie sie hier ja nun endgültig ihr Opus Magnum machen würden. Ich habe davon wie immer so gut wie gar nichts mitbekommen und war darüber auch ganz froh. Doch weil ich weiß, dass sich auch unter mehr oder weniger regelmäßigen Leser*innen dieses Formats einige befinden, die über eine Nicht-Besprechung von Berdreyminn etwas ungehalten wären, will ich mal nicht so sein. Auch wenn ich nach wie vor nicht verstehe, was man an dieser Band finden kann. Sicher ist es erfrischend, dass in dieser Musik mal nicht das Klischee eines erfolgreichen Projektes aus Island ausgeschlachtet wird, sondern Sólstafir tatsächlich etwas ziemlich originelles machen. Ich frage mich allerdings wieder und wieder, worin dessen Substanz besteht. Seitdem das Kollektiv vor einigen Jahren seine Metal-Einflüsse an den Nagel gehängt hat, trudelt es orientierungslos irgendwo zwischen Dark Ambient, Folkrock, Prog und Hardrock, macht aber nichts so richtig. Das an sich wäre theoretisch auch noch kein existenzielles Problem, wenn sie sich denn wenigstens im Songwriting fokussieren könnten. Und bis auf wenige Ausnahmen höre ich das bei ihnen überhaupt nicht. Zwar haben die meisten Sólstafir-Nummern Längen von weit über fünf Minuten, eine beneidenswerte Instrumentierung und allen Pomp und Gloria, doch fehlt ihnen dabei immer die Richtung und ein starker roter Faden. Für einen kurzen Moment habe ich gedacht, dass das auf Berdreyminn vielleicht anders sein könnte, aber woher auch? Um ehrlich zu sein, ist das hier sogar eine ihrer schwächsten Performances der letzten Jahre. Auf dem Vorgänger Ótta von 2014 schaffte es die Band wenigstens, so etwas wie eine Stimmung aufzubauen und einen Funken Dramatik in die Sache zu bringen. Hier hingegen versuchen die meisten Tracks gar nicht erst, so etwas wie einen Spannungsbogen zu etablieren. In den schlimmsten Fällen, wie in Hula, dümpeln sie über sieben Minuten vor sich hin, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen, in anderen gibt es mitunter ein Aufbäumen, doch ist dieses so unbeholfen und forciert, dass man die Band am liebsten nochmal in den Grundkurs für Postrock-Crescendi schicken würde. An was ich mich außerdem nie gewöhnen werde, ist die ranzige Schwanzrock-Stimme von Sänger Aðalbjörn Tryggvason, der auch nach über 20 Jahren so klingt, als wäre er nur der kurzfristig eingeflogene Ersatzmann für jemanden, dessen Gesang wirklich zur Ästhetik dieser Musik passt. Alles in allem wird Sólstafirs Material über die letzte Zeit also nicht besser, sondern eher andersrum. Berdreyminn ist in meinen Augen in so vielen Hinsichten schlecht, dass ich die Fans dieser Band nur noch weniger verstehe. Dabei hatte ich eigentlich das Gegenteil vor. Die Sache mit dem Opus Magnum müsste sich damit dann ja auch erledigt haben, oder?





Persönliche Highlights: Nárós / Hvít Sæng

Nicht mein Fall: Hula / Dýrafjörður / Ambátt

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