Mittwoch, 31. Mai 2017

Dark Twisted Fantasies

Dass sich Deutschrap ausgerechnet den letzten Freitag erwählt hat, um mindestens die Hälfte der Platten-Highlights dieses Jahres zu veröffentlichen, wäre dem guten Audio88 fast zum Verhängnis geworden. Zwischen Marteria, Taktlo$$ und Frauenarzt, SXTN und fetten neuen Singles von Bushido und DCVDNS war ein gerade Mal zwanzigminütiges Mini-Album eines Spartenrappers, den ich eigentlich nicht mal sonderlich mag, auf den ersten Blick nicht unbedingt das attraktivste Objekt für mich. Doch hätte ich mir Sternzeichen Hass durch die Lappen gehen lassen, hätte ich es sicher irgendwann bereut. Denn was der Berliner hier in der kurzen Spieldauer vom Stapel lässt, ist nicht weniger als eine der besten deutschsprachigen Rap-LPs, die dieses Jahr bisher erschienen sind. Es ist für den Künstler selbst vielleicht nur eine Fußnote des eigenen Outputs, aber was Audio88 hier anspricht, ist so ein bisschen das, was ich mir seit einer Weile aus der Szene wünsche. Politik, intelligente Genre-Kritik, Tristesse und das alles komplett frei von irgendwelchem Schnickschnack. Denn obwohl Sternzeichen Hass auch grandiose Beats hat und produktionstechnisch erste Sahne klingt, steht die Message hier eindeutig im Vordergrund. Und Message bedeutet in diesem Fall auch nicht, möglichst clever die bestmögliche Punchline aufzubauen, sondern auch tatsächlich was zu vermitteln. Die Themen, die Audio hier auspackt, sind dabei so vielschichtig wie die Gesellschaft, mit der er sich hier auseinandersetzt und viel positives hat er über sie nicht zu melden. Durch jede Zeile des Rappers zieht sich eine finstere Spur von Misanthropie und die ist nicht von der heiteren Fickt-euch-Allee-Sorte, sondern ungemein sarkastisch und düster. Die meisten Deutschrapper geizen ja schon nicht mit miesen Vibes, aber ich muss schon eine Weile überlegen, wann ich das letzte Mal eine so fiese Platte aus der Szene gehört habe. Dass dieses Rap-Kleinod ausgerechnet von Audio88 kommt, ist für mich ebenfalls eine ziemliche Überraschung. Von seinen letzten beiden Alben, die er gemeinsam mit Yassin aufnahm, hatte ich zuletzt den Eindruck, dass der Berliner nicht wirklich viel zu sagen hätte und seine Themen die gleichen wären wie von allen anderen auch. Doch anscheinend funktioniert sein eigenes Konzept von HipHop solo besser und wenn man sich Songs wie Lied vom Tod auf dem Theremin oder Direkter Vergleich anhört, fragt man sich schon, wo dieses Talent die letzten Jahre gesteckt hat. Denn auf Sternzeichen Hass stimmt wirklich fast alles. Wenn ich irgendetwas kritisieren könnte, dann dass Audio an manchen Stellen etwas altklug rüberkommt, wenn er Cloudrapper disst und über längere Zeit sein Flow ein kleines bisschen nervt. Abgesehen davon ist das hier eine Deutschrap-Perle, wie man sie nur selten hört und ich kann nur jedem, der diese Szene nicht grundsätzlich ableht empfehlen, das hier anzuhören. Auch wenn ihr danach wahrscheinlich erstmal ein paar Stunden ordentlich Welthass schiebt. Das ist am Ende ja auch genau der Plan.





Persönliche Highlights: Dosenpfirsiche / Treibjagd / Lied vom Tod auf dem Theremin / Selfies / Vom Wollen und Brauchen / Ab nach Hause / Direkter Vergleich

Nicht mein Fall: Trottel

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