Sonntag, 21. Mai 2017

Björn bleibt dran

Als ich vor einigen Wochen irgendwo im Internet die Ankündigung las, dass es ein neues Album von Mando Diao geben würde, war meine erste Reaktion zugegeben nicht wirklich euphorisch. Mando Diao? Die gibt es noch? Wo kommen die denn plötzlich her? Es war ein bisschen wie eine Begegnung aus einer anderen Welt. Die Band, die einst den dick aufgetragenen Pop-Konter zum Randale-Indierock der Hives im Schweden-Hype der Zweitausender lieferte, waren so ziemlich das letzte, was ich 2017 erwartete. Und tatsächlich ist bei ihnen auch nichts mehr wie früher: Mit Gustaf Norén warf 2015 der neben Björn Dixgård wichtigste Hauptsongwriter der Gruppe das Handtuch, was die ganze Unternehmung zunächst ein bisschen kopflos machte. Doch nach einer kurzen Schockstarre holte sich Dixgård einfach neue Leute ins Boot und machte dort weiter, wo er mit Norén aufgehört hatte. Normalerweise ist ein solcher Move für eine Band das aus und gerade Mando Diao lebten immer vom Wechselspiel der beiden Alphatiere Björn und Gustaf. Andererseits war ich gerade deshalb der Idee neuer Songs von ihnen erstmal nicht abgetan. Dass Dixgård gute Melodien schreibt, dürfte allen bewusst sein, die schon einmal Dance With Somebody gehört haben und seine Arbeiten waren mir sowieso fast immer die liebsten. Außerdem sind Mando Diao inzwischen stilistisch so bewandert wie wenige Stars ihrer Generation: In den fast 20 Jahren ihres Bestehens hat sich die Band durch diverse Stile gehangelt, Besetzungen eingekürzt und wieder aufgestockt und ihre Popularität für zahlreiche kreative Ausbrüche genutzt. Schon allein ihr letzter Longplayer Aelita reicht dafür als Beweis. Die Wahrscheinlichkeit, dass Good Times ein langweiliges, nichtssagendes Werk eines gealterten Acts werden würde, war also entsprechend gering. Und tatsächlich hat die Platte nach wie vor einige spannende Facetten zu bieten. Sicher macht vieles hier nicht mehr so viel her wie früher und es werden keine Konventionen gesprengt, doch man hört Mando Diao nach wie vor den Elan an, mit dem sie ihre Musik schreiben. Good Times ist eine herrlich entspannte Sammlung fantastischer Popsongs, die nicht mehr von sich verlangt, als genau das zu sein. In gewisser Weise erinnert mich die LP damit an das kürzlich erschienene Album von Kasabian oder auch die letzten Sachen der Kooks. Man erlebt hier ein Kollektiv, das zwar seine Heydays eindeutig hinter sich hat, aber das daraus die besten Schlüsse zieht und, statt weiter auf den unbedingten Anschluss an die erfolgreiche Vergangenheit zu spekulieren, in sich selbst hineinhört. Im Vergleich zu extrem verkrampften (und deshalb auch schwachen) Vorgänger ist hier plötzlich so viel Platz da, in dem sich die Band ein wenig selbst verwirklicht. Good Times ist die Spielwiese, auf der Mando Diao einfach nur ein paar nette Tracks schreiben können, von denen einige eher zufällig ihre besten seit Jahren sind. In Watch Me Now und Dancing All the Way to Hell kanalisieren die Schweden ihre auf Aelita gefundene Liebe für Funk-Licks und Vintage-Synthesizer in ein energisches Indierock-Songwriting, Money zeigt eine nie gekannte instrumentale Vituosität und mit Break Us und Hit Me With A Bottle gelingen der Band zwei unglaublich starke Balladen, die ohne Diskussion zum besten gehören, was Mando Diao jemals abgeliefert haben. Solltet ihr euch dafür entscheiden, irgendetwas von dieser Platte anzuhören, dann bitte diese beiden Stücke! Sie sind es wirklich wert. Überhaupt gibt es hier bis kurz vor Schluss so gut wie keinen einzigen wirklich schechten Song und das ist schon echt bemerkenswert. So ein geschlossen gutes Album habe ich von ihnen seit dem großen Hit-Longplayer Give Me Fire nicht mehr gehört. Und besonders Fans dieser Phase ihrer Karriere sollte Good Times wieder sehr zusagen. Es ist allerdings auch spannend, hier gleichzeitig eine alte und eine neue Band zu hören und wie alles hier so harmonisch zusammen findet. Es wäre gut möglich, dass Mando Diao von hier an noch einmal Atem holen und wir die richtig geilen Sachen noch vor uns haben. Andernfalls ist diese LP trotzdem ein sehr überzeugender Auftritt einer Band, die ihren Zenit am Ende doch überschritten hat. Und auch das wäre okay, denn brauchen tut diese Jungs keiner mehr wirklich. Es ist nur hin und wieder schön zu hören, dass es ihnen gut geht.





Persönliche Highlights: Break Us / Good Times / Money / Hit Me With A Bottle / Dancing All the Way to Hell

Nicht mein Fall: One Two Three / Voices On the Radio

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