Mittwoch, 3. Mai 2017

Dreh den Swag aus

Immer wenn ich denke, dass ich die deutschsprachige Rap-Landschaft so halbwegs durchschaut habe und mich inzwischen einigermaßen auskenne, zeigt mir irgendjemand doch wieder, dass ich keinen Plan habe. So ist es mir zum Beispiel vollkommen schleierhaft, warum das große Hype-Album dieses Jahres ausgerechnet von Ufo361 kommen soll. Neben ein paar freshen Singles, allen voran den Mega-Banger Für die Gang mit Gzuz, hatte der MC bisher eigentlich nicht viel vorzuweisen. Innerhalb weniger Wochen hat sich der Junge jedoch zur Galleonsfigur des hiesigen Mumblerap gemausert, über den alle ständig reden müssen. Für mich war er bis Ende letzten Jahres dabei noch immer mehr oder weniger ein Underground-Phänomen, was allerdings nicht dazu passt, dass er hier plötzlich das Who is Who der deutschen Szene auf einem knapp hundertminütigen (!) Mixtape anzieht. Wenn man sich die Gästeliste von Ich bin 3 Berliner ansieht, muss man zwangsläufig Respekt bekommen. RAF Camora, Sido, Haftbefehl und Xatar, Olexesh, Gzuz, Yung Hurn, Hanybal, Capital Bra und komischerweise Namika sind hier vertreten, trotzdem stellt den Großteil der 27 Tracks Ufo komplett alleine. Schon bevor man überhaupt die ersten Takte gehört hat, beschleicht einen das Gefühl, dass es der Gute hier vielleicht eine Spur übertrieben hat. Und tatsächlich ist 3 Berliner vor allem eines: anstrengend. Wir erleben hier das bemühte Opus Magnum eines Rappers, der eindeutig Quantität vor Qualität stellt und hier jede Menge bedeutungslosen Müll auf den einen großen Haufen kippt, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren. Man muss sich das mal überlegen: Das letzte Ufo-Mixtape ist gerade mal sieben Monate her, in dieser Zeit machen normale Leute vielleicht eine EP. Selbst der Trap-Durchschnitt liegt in diesem Zeitfenster vielleicht bei einem Mixtape. Dieses hier hat locker die Mächtigkeit von dreien. Und entsprechend gestaltlos und sinnfrei sind hier 95 Prozent des Materials. Abwechslungsreiche Instrumentals sind bis auf wenige Ausnahmen Fehlanzeige, Ufos Flow nervt bereits nach zwei Songs und die inhaltliche Tiefe dieser Platte ließe sich auf einen Kirschkern schreiben. Mit Edding. Hätten die Tracks wenigstens Swag, wäre das ganze vielleicht verzeihlich, aber viele Elemente hier sind eine ekelhafte Mainstream-Mutation von deutschsprachigem Trap, dem jeglicher Fokus und Punch fehlt. Nicht mal für Memes ist dieser Blödsinn gut. Von 27 Song bleiben mir vielleicht drei im Gedächnis hängen und das schlimmste ist: Meistens nicht wegen Ufo. Wenn Songs gerettet werden, dann meistens aufgrund der hochkarätigen Gastauftritte, die zum Glück eben sehr vielfältig sind. Über den Song mit Gzuz habe ich ja bereits ausführlich berichtet, und hier ist der Host sogar noch relativ gut. Aber teilweise spielen sich in gewissen Songs Dinge ab, die bei mir zu Grenzerfahrungen geführt haben. In Traum beispielsweise wirkt das sonst so belanglose Radiopop-Dummchen Namika plötzlich wahnsinnig lyrisch und kreativ. Du weißt wo ich wohn enthält einen der schlechtesten Parts, die ich von Hafti je gehört habe, trotzdem glänzt er im Vergleich zu Ufo über alle Maßen. Wirklich gut sind indes Capital Bra und Xatar in Wer und Yung Hurn in 1000 Bitches, die sich richtig Mühe gegeben haben. Leider muss man sagen, denn für dieses Album war die Mühe definitiv verschwendet. Das zuvor so aufgeblasene Schurkenstück des Deutschrap 2017 wird in der Realität zur ziemlichen Nullnummer, mit der Ufo eher eine kontraproduktive Wirkung erzielt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man den Berliner auf diese Arbeit den Rest seiner Karriere reduzieren wird, ist hoch. Und so, wie er sie verkackt hat, könnte das richtig schlimm werden. Wenn dieses Album die Mainstream-Representation von Trap im deutschsprachigen Raum wird, könnte ich verstehen, warum alle es hassen. Denn das hier ist wirklich ein Tiefpunkt. Dafür gibt es die bisher schlechteste Punktzahl dieses Jahres und darüber werde ich das ganze Jahr über noch Witze machen. Dass Für die Gang am Ende trotzdem einer meiner Lieblingssongs 2017 ist ein kleiner Trost. Aber das kann Ufo bei mir nun wirklich nicht mehr retten.





Persönliche Highlights: Wer / 1000 Bitches / Kein Fake Shit / Richi Rich

Nicht mein Fall: Mister T / Heute bezahl ich / James Dean / Kein Anlass / Gott sei Dank / Lit / Unabhängig / Immer noch High / Geld kein Spaß

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