Samstag, 27. Mai 2017

I've Become So Numb...

Wenn es um Linkin Parks neues Album One More Light geht, habe ich älteren Musikfans sicherlich eine Sache im Voraus: Ich habe mit dieser Band keine gemeinsame Vergangenheit. Als ihr legendäres Über-Werk Hybrid Theory erschien, war ich keine vier Jahre alt und als ich anfing, mich ernsthaft für Musik zu interessieren, waren die Kalifornier schon die größte Rockband der Welt. Und dass sie 2017 zum EDM-Projekt mutieren, kommt für mich nicht als Überraschung, sondern ist die logische Folge aller Entwicklungen, die sich bei ihnen in den letzten zehn Jahren abgespielt haben. Schon mit den beiden letzten Platten Living Things und the Hunting Party wurden die Songs immer gefälliger, für elektronische Elemente haben sich Linkin Park sowieso schon immer interessiert und eigentlich gehörten sie auch immer schon eher ins Radio als zu den Metalheads. Und statt das schlimmste zu Befürchten, habe ich One More Light theoretisch als Chance für sie gesehen. Denn ihr Vorteil liegt eben genau darin, dass sie nicht die Chainsmokers sind. Wer wissen will, wie gut sie Hits schreiben können, der braucht sich nur mal ihr in meinen Augen bestes Album Minutes to Midnight anhören. Gute Melodien und emotionales Songwiring sollten nicht das Problem sein. Auch die Leadsingle Heavy mit Kiiara fand ich am Ende gar nicht so schlimm, wie alle sagten. Trotzdem ist One More Light deshalb natürlich noch lange keine gute Platte. Dass sie die beste von Linkin Park seit locker sieben Jahren ist, zeigt nur, wie grauenvoll die letzten waren. Die Songs hier zeigen zwar endlich wieder Substanz und einen Funken Leidenschaft, trotzdem sind die Melodien unglaublich generisch, die Texte maximal flach und Chester Bennington hier gesanglich eindeutig fehlbesetzt. Seine nach wie vor sehr rockige Stimme hat für derart stromlinienförmige Musik einfach noch zu viel Kante und Charakter. Da macht Kollege Mike Shinoda seinen Job schon besser, der ohnehin noch nie viel Persönlichkeit in den Vocals hatte. Ganz zu schweigen von Feature-Gast Kiiara, die Heavy mit höchster Professionalität gefühlstot singt. Was die Auftitte von Stormzy und Pusha T in Good Goodbye angeht, so verkaufen sich die beiden hier definitiv unter Wert. Ihre Parts sind einer wie der eine viel zu gut für dieses Album. Linkin Park braten hier eh nur noch in ihrem eigenen Saft. One More Light erinnert mich in gewisser Weise ziemlich an den letzten Longplayer von Bring Me the Horizon. Abgesehen davon, dass die einen immer schon ein bisschen die anderen sein wollten, findet sich auch hier eine witzig-blauäugige Tendenz zu Radiopop, die gerade deshalb so lächerlich ist, weil die jeweiligen Künstler ein bisschen zu talentiert dafür sind. Aber wenn Linkin Park mit diesen Tracks ab jetzt die Welt der noch verbliebenen Rundfunkhörer*innen um ein Minimum bereichern, will ich nicht böse sein. Denn das schöne ist ja eigentlich, dass es 2017 sowas von egal ist, was diese Band macht, dass man sich nicht mehr darüber aufregen muss. Die New Metal-Emo-Teenage-Angst-Rebellen von einst machen jetzt Dad Rock. Und nie war ich darüber glücklicher.





Persönliche Highlights: Nobody Can Save Me / Battle Symphony / Heavy / One More Light

Nicht mein Fall: Good Goodbye / Halfway Right

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen