Freitag, 26. Mai 2017

Paradoxer Pointillismus

Es war für mich immer ein Rätsel, wie Do Make Say Think das machen, was sie machen. Und warum machen sie es so verdammt gut? Eigentlich spielt das achtköpfige Ensemble aus Toronto ja relativ klassischen Postrock mit klassischem Songwriting, den klassischen Strukturen und einer Instrumentation, die zumindest auf klassischen Schemata beruht. Trotzdem empfand ich ihre Songs immer als so viel ausgereifter und cleverer als die der näheren Verwandtschaft bei Explosions ins the Sky, Caspian oder Maybeshewill. Aus dem Großteil ihrer Platten werde ich noch immer nicht schlau und weiß wenig mehr über sie als die Tatsache, dass ich sie genial finde. Und mit diesen Voraussetzungen sind sie eigentlich die besten, um 2017 ein Postrock-Album zu veröffentlichen. Schon häufig habe ich mich darüber beschwert, dass ich mittlerweile immer weniger spannenden Instrumentalrock höre und ich selbst von ehemaligen Lieblingsbands immer mehr gelangweilt bin. Ich legte also große Hoffnungen in Do Make Say Think, weil diese Band in meinen Augen einfach nicht langweilig werden kann. Und zu meinem großen Glück hatte ich wieder mal Recht damit. Denn obwohl der letzte Longplayer der Kanadier inzwischen acht Jahre auf dem Buckel hat und die Postrock-Landschaft nicht annähernd die gleiche ist wie noch 2009, sind die Qualitäten hier die gleichen geblieben. Wahnsinnig atmosphärische, filigran strukturierte und mit viel Fingerspitzengefühl arrangierte Kompositionen erstrecken sich hier in neun Tracks über eine gute Stunde und bezaubern mit eleganter Zurückhaltung. Wobei der Teufel wie immer im Detail steckt. Was die Songs hier lebendig macht sind nicht die ausladenden Crescendi, die kaskadischen Breaks oder voluminösen Riffs, sondern die Art und Weise, wie sich die Musik jede Sekunde ein kleines bisschen verändert und dabei nie so richtig geradeaus geht. Mal kommt hier für einen Augenblick eine Akustikgitarre dazu, dann ein kurzer Synth-Loop, hier ein Trompetensolo und so weiter und sofort. Repetetiv findet man diese Stücke nur, wenn man nicht richtig hinhört. Und selbst dann sind sie noch immer wahnsinnig schön. Besonderes Highlight ist in meinen Augen das sehr gegensätzliche Paar der Tracks Bound und And Boundless. Was hier an herrlich cleveren Spielereien und verqueren Kompositions-Tools zum Einsatz kommt, ist eine echte Wonne. Aber auch das zehnminütige Horripilation oder das Piano-lastige Shlomo's Son sind definitiv eine Erwähnung wert. Das beste an allen Songs sind aber komischerweise immer die Enden. Do Make Say Think bleiben also weiterhin paradox. Wenn ich der Band eine Sache vorwerfen könnte, dann die offensichtliche Sache, dass sie hier nicht wirklich viel neues machen. Nach acht Jahren Pause hätte man gerade von denen eigentlich einiges mehr verlangen können. Angesichts der Perspektive, dass wir 2017 wahrscheinlich nicht mehr viele bessere Postrock-Alben hören werden, will ich mal nicht so sein. Und Stubborn Persistent Illusions ist auch definitiv mehr als nur den Umständen entsprechend gut. Es ist vielleicht nicht das beste Werk der Kanadier, aber dennoch weit davon entfernt, eine Enttäuschung zu sein. Ehrlich gesagt ist es sogar ziemlich fantastisch, wieder neue Musik von ihnen zu hören. Denn ein bisschen gefehlt haben sie mir schon.





Persönliche Highlights: Horripilation / Bound / And Boundless / As Far As the Eye Can See / Shlomo's Son / Return, Return Again

Nicht mein Fall: A Murder of Thoughts

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