Montag, 22. Mai 2017

You're A Rockstar, Harry!

Viele Musikfans mussten in den letzten paar Wochen zugeben, dass Harry Styles sie alle kalt erwischt hatte. Als der gerade mal 23 Jahre alte ehemalige One Direction-Star Anfang April seine Debütsingle Sign of the Times veröffentlichte, stockte selbst den prätenziösesten Stylern und Weirdo-Hipstern der Atem: Da schrieb so ein Typ, der eben erst eine der nervigsten Boybands der letzten Dekade verlassen hatte und den allermeisten vor allem durch seine gescheiterte Liebschaft zu Taylor Swift medienbekannt war, eben mal eine dermaßen grandiose Rockballade, die in den besten Momenten selbst Prince und Robert Plant an die Wand spielte. Es war überraschend, es war hochwertig, es war faszinierend. Mit seinem allerersten Song als Solokünstler hat Harry Styles direkt eine der Sensationen des Jahres erschaffen. Und in Bezug auf sein kommendes Album war plötzlich alles anders: Plötzlich interessierten sich seriöse Leute für den Mann und es gab auf einmal so etwas wie Erwartungen an ihn. Styles hatte nun den Anspruch, eine stilistisch ansprechende Platte zu bringen. Und vielleicht war genau das auch von mir persönlich ein bisschen viel verlangt. Denn ein Prince oder ein Robert Plant ist der Engländer eben doch nicht. Nur jemand, der genau weiß, wer diese beiden Leute sind. Was bedeutet, dass diese LP auch nicht mehr ist als ein ziemlich gut zusammengeklautes Rockalbum. Die vierzig Minuten Spielzeit klingen dabei mehr oder weniger nach allem: Keith Richards, Paul McCartney, Eric Clapton, ein bisschen Neil Young und David Gilmour. Nur die ganz großen sozusagen. Und das ist schon irgendwie okay. Harry Styles weiß, wie man mit diesen Elementen einen guten Track schreibt und keines der zehn Stücke ist zu dreist von einer bestimmten Künstler*in geklaut. Auch versteht es die Platte, dem ganzen einen modernen Einschlag (vor allem klanglich) zu verpassen, ohne gleich langweilig-paparockig zu klingen oder wie ein schlechter Versuch, Vintage-Musik zu spielen. Kleinere Passagen schlagen immer wieder eine zeitgenössische Pop-Ästhetik an, die erfrischenderweise kein bisschen an One Direction erinnert. Ein ehemaliges Teenie-Sternchen, dass sich Classic Rock annimmt, klingt also im Optimalfall genau so. Nur wer große Siebenmeilenschritte erwartet, wird hier nicht weiter kommen. Zuerst mal, weil das hier einfach zu sehr Retro-Zeug ist, als das es wirklich originell sein könnte und zweitens, weil Harry Styles am Ende eben doch nur ein etwas besserer Lenny Kravitz ist. Global gesehen macht dieses Album also nicht viel aus. Wenn man es allerdings aus der Perpektive des Akteurs betreibt, könnte es alles bedeuten. Zum einen schafft Styles sich hier eine Basis als ernstzunehmender Künstler und setzt einen noch schwereren Anker ins Game als vor einem Jahr sein Bandkollege Zayn Malik, andererseits schränkt er seine kommerzielle Zielgruppe vielleicht ein wenig ein. Zum einen gewinnen wir einen Künstler, der selbstbewusst mit seiner Musik ungeht und weiß, was Qualität bedeutet, dafür schreibt dieser jetzt auch Songs wie ein Sechzigjähriger. Harry Styles' Karriere ist zum jetzigen Zeitpunkt so offen wie vielleicht noch nie zuvor. Doch das ist mir ehrlich gesagt viel lieber als die sichere Variante, die uns noch weitere zehn Jahre Mädchenmusik beschert hätte. Und ab jetzt bleibt uns nur übrig, die Daumen für Harry zu drücken.





Persönliche Highlights: Meet Me in the Hallway / Carolina / Sweet Creature / Only Angel / From the Dining Table

Nicht mein Fall: -

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