Samstag, 6. Mai 2017

I'm Getting Re-Wired

Die Pflicht, über eine Band zu schreiben, die ich während meiner frühen Teenagerjahre für absolut genial hielt, ruft mal wieder. Weil man ja immer noch irgendwie gespannt ist, wie das ganze inzwischen klingt und weil man sich selbst belügen würde, hätte man sich die neue LP nicht wenigstens mal angehört, macht man den Weg zu den verflossenen Helden ein weiteres Mal. Schon mit dem Vorurteil im Kopf, am Ende so etwas zu sagen wie "Damals hätte ich das bestimmt auch gemocht" oder "Eigentlich waren sie ja nie wirklich gut". Mittlerweile ist man ja geschmacklich so viel weiter. Bei Kasabian habe ich diese Prozedur schon ein paarmal durchgemacht. Spätestens seit dem Totalflop ihres letzten Albums 48:13 von 2014 sind die Briten bei mir unter dem Begriff "Jugendsünde" abgespeichert und es erscheint mir ein bisschen dämlich, wie ich einst bestenfalls okaye Platten wie Velociraptor! oder Empire so feiern konnte. Und mit jedem Jahr, das ins Land geht, wirkt ihre Musik ein Stückchen anachronistischer und gestelzter. Der grandiose Star-Status der Formation schrumpft stetig weiter und die von mir einmal höllisch verehrten Frontmänner Tom Meighan und Sergio Pizzorno sind zwei blasierte Vollpfosten, die sich für Jimi Hendrix und Mick Jagger halten, wobei der eine dabei immer mehr aussieht wie der Anführer eine lokalen Hooligan-Gruppierung und der andere wie eine exotische Vogelgattung. Dementsprechend überraschend ist es, dass Kasabian mit For Crying Out Loud doch eine ziemlich passable und unpeinliche Performance abliefern. Nach Jahren der völligen Überhöhung der eigenen Rolle und Musik, die dazu sehr wenig passte scheinen die Briten hier den Boden der Tatsachen wiedergefunden zu haben. Wir erleben hier ihre sicherlich unspektakulärste LP seit langem, aber wenigstens ist diese Wirkung diesmal Absicht. 2017 gehen Kasabian den Weg der Gemütlichkeit. Während bei anderen Künstler*innen wie den Kaiser Chiefs oder Maximo Park dieser Weg damit einhergeht, immer langweiliger und gewollter zu klingen, erleben wir auf For Crying Out Loud eine ganz neue Spielfreude und Spontaneität, die ansteckend ist. Die schmissigen, drolligen Popsongs, die einen Großteil der Tracklist ausmachen, sind fast immer gelungen, ziemlich kreativ und machen Bock auf dieses Album. Sie sind nicht mehr so dramatisch und bombastisch wie die der vorherigen Platten, aber das wollte doch eigentlich eh nie jemand hören. Und ihr Talent für tanzbare Upbeat-Hits ist bestechend. Denn es gibt einfach so viele gute Songs hier: Der Opener Ill Ray (the King) mit seiner mitreißenden Eröffnungs-Hook, Comeback Kid und Good Fight, die mal wieder herrlich an die besten One-Hit-Wonder der Sixties erinnern oder die simple Ballade All Through the Night, bei der auch Fans der "alten" Kasabian auf ihre Kosten kommen. Die Krönung des Albums ist jedoch ohne jeden Zweifel die fast neunminütige Madchester-Hymne Are You Looking for Action, die auch den letzten Skeptiker überzeugen sollte, dass die Band es noch drauf hat. Der Track ist tanzbar und fluffig, dabei unglaublich vielseitig und knallig, kurzum einer der besten Songs in der Karriere der Briten. Auf einem ihrer besten Alben. So etwas über For Crying Out Loud zu sagen, daran hätte ich mir bis vor wenigen Tagen noch keinen Gedanken verschwendet, doch es ist irgendwie passiert. Und es macht mich glücklich. Eine ehemalige Lieblingsband zu sehen, die einen dermaßen geilen U-Turn hinbekommt und dadurch neue Souveränität und Spielfreude findet, ist wunderschön. Nicht nur hat es sich gelohnt, aufmerksam zu bleiben und die Treue zu halten, man kann jetzt auch wieder sagen, dass man vielleicht ein bisschen stolz darauf ist, Kasabian-Fan zu sein. Obwohl ich das mittlerweile nicht mehr von mir behaupten würde.





Persönliche Highlights: Ill Ray (the King) / Good Fight / Comeback Kid / the Party Never Ends / Are You Looking for Action / All Through the Night / Bless This Acid House / Put Your Life On It

Nicht mein Fall: Sixteen Blocks

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