Sonntag, 15. November 2020

Elas Atelier

Ela Minus - Acts of Rebellion 


[ technoid | tanzbar | verschnickt ]

Wann immer dieser Tage ein*e Künstler*in neu auf der Bildfläche der einschlägigen Musikmedien auftaucht, kann man sich eigentlich sicher sein, dass diese sogenannte Entdeckung so neu gar nicht mehr ist. In Zeiten von Bandcamp- und Soundcloud-Karrieren, Bedroompopstars und Tiktok-Hits ist der Moment, in dem jemand auf einem Label oder in einem Magazin auftaucht, meistens schon der Anfang vom Ende. Und es ist ja trotzdem schön, dass eine so tolle junge Frau wie Ela Minus jetzt offiziell bei Domino unterschrieben hat, doch sollte man deshalb keinesfalls glauben, hier ein unbeschriebenes Blatt gefunden zu haben. Mit ihren dreißig Jahren hat die New Yorkerin zu diesem Zeitpunkt schon einige Band-Jobs - unter anderem bei Austra - hinter sich und ist darüber hinaus eine erfahrene Hausnummer im Eigenbau modularer Synthesizer. Dass sie jetzt mit Acts of Rebellion ihr erstes Album als Solokünstlerin macht, ist damit bestenfalls ein Haken auf ihrer großen Liste, wenngleich kein vernachlässigbarer. Denn wie schon gesagt wurden die Leute, was sie angeht in den letzten Wochen plötzlich sehr aufmerksam und gerade im klassischen Feuilleton-Bereich ist Minus plötzlich sehr in Mode. Und auch ich muss zugeben, dass ihre Musik mich vor einiger Zeit sehr abholten. Insbesondere die düstere Vorab-Single El Cielo No Es De Nadie, die einen sehr clubbig-berlinigen Vibe hatte, beeindruckte mich immens und machte mich sehr neugierig auf das kommende Debüt. Jetzt, wo Acts of Rebellion erschienen ist, muss ich auch durchaus sagen, dass darin jede Menge Potenzial steckt. Und wo das einerseits heißt, dass Ela Minus auf LP-Format eine tolle Entdeckung mit viel Talent ist, bedeutet das auch, dass sie hier meiner Meinung nach noch nicht ihre finale Form erreicht hat. Dazu empfinde ich es als wichtig, ihre musikalische Herkunft als elektronische Tüftlerin zu verstehen. Wenn ich mir die Songs auf Acts of Rebellion anhöre, höre ich vor allem eine Künstlerin, die ein tiefes Verhältnis zu ihrem Equipment hat. Songs wie Let Them Have the Internet, Close oder Pocket Piano sind im wesentlichen nerdige Synth-Experimente, die wahrscheinlich primär für den Live-Einsatz geschrieben wurden. Das bedeutet nicht, dass sie doof sind, sie haben nur an vielen Stellen nicht den Feinschliff einer Studioaufnahme. Und das ist eine Sache, die man bei diesem Album immer im Hinterkopf haben sollte, denn es bestimmt doch sehr seinen Charakter. Die Songs, die Ela Minus komponiert, sind im LP-Format ganz einfach nicht zu Hause und wären am Ende tatsächlich besser in geekigen Gearporn-Videos auf Youtube oder auf der Bühne aufgehoben. Was genau dabei passiert, ist je nach Track auch sehr verschieden. Es gibt hier Nummern wie Dominique oder El Cielo No Es De Nadie, die ohne weiteres in ein Club-Setting passen würden, wieder andere wie Do Whatever You Want, All the Time sind fast schon atmosphärisch und mit They Told Us It Was Hard, But They Were Wrong schreibt Minus tatsächlich einen veritablen Elektropop-Stampfer. Auch diese Vielfältigkeit ist in meinen Augen ein Indiz dafür, dass wir es hier doch eher mit einer Bastlerin zu tun haben als einer Songwriterin, da hier das Experiment doch nach wie vor eine stärkere Rolle hat als eine kompositorische Vision. Schlecht ist das wie gesagt nicht, doch sehe ich hier auch die Punkte, wo Ela Minus' Musik noch sehr viel weiter wachsen könnte. Könnte man diese experimentelle Attitüde mit einem besseren Songwriting, einem Gespür für Flow und etwas cooleren Texten zusammenbringen, wäre das hier die neue Robyn. So ist es nur eine Künstlerin mit Potenzial. Aber auch das ist ja schon mal allerhand.


Hat was von
Austra
Future Politics

the Knife
Silent Shout

Persönliche Höhepunkte
They Told Us It Was Hard, But They Were Wrong | El Cielo No Es De Nadie | Do Whatever You Want, All the Time

Nicht mein Fall
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