Sonntag, 22. November 2020

Warum denn so ernst?

Bring Me the Horizon - Post Human: Survival Horror  

[ edgy | krachig | apokalyptisch ]

Wenn man mich fragt, dann wachsen Bring Me the Horizon in den letzten Jahren vor allem daran, dass sie Humor entwickelt haben. Sowohl auf lyrischer Seite als auch in ihrer Musik macht sich seit etwa fünf Jahren ein gewisser Schmunzel-Faktor auf ihren Platten breit, der 2015 auf That's the Spirit mit süffisanter Edgyness begann und spätestens mit diesem neuen Album zu einem fiesen, breiten Grinsen mutiert ist. Chaos und Unsicherheit in der Welt sowie persönlichen Dämonen begegnen die Briten inzwischen konsequent mit grell geschminktem Zynismus und einer explosiven Buntheit, die der bierernste Angstcore ihrer Frühphase rückblickend vermissen ließ. Und wo schon Amo vor etwa zwei Jahren ein Paradebeispiel darin war, dem inneren und äußeren Zerfall mit einer deftigen Freakshow entgegenzutreten, ist Post Human: Survival Horror jetzt die Platte, die dieses Konzept zu Ende denkt. Als Basis diesen dabei erneut weitreichende Einflüsse aus den kitschigsten Nischen von New Metal, Emorock, Industrial und Metalcore, auf die BMTH munter weiter musikalische Kuriositäten auftürmen. Wo auf dem Vorgänger schon exotische Gäste wie Grimes und Rahzel zu hören waren, überraschen hier unter anderem Features von Babymetal und Evanescence-Frontfrau Amy Lee. Wieder mal ist es aber vor allem der Input der Band selbt, der für den größten Unterhaltungsfaktor sorgt, denn spätestens hier ist sich die Band für nichts mehr zu seriös. Gleich der Opener Dear Diary beginnt  mit dem sicherlich fettesten Metal-Moment von BMTH seit Jahren, der mich an die richtig bratzigen Elemente von Sepultura oder Machine Head erinnert und auch an späteren Zeitpunkten hört man die Briten dann und wann zu ihren knallharten Metalcore-Wurzeln zurückkehren. Zeitgleich dazu sind sie jedoch auch so verspielt wie nie zuvor, bringen starke Elemente von Industrial ein, basteln an verglitchten Electronica-Schnipseln herum, huldigen offener als je zuvor ihren Ikonen Linkin Park und schreiben größere Mitsing-Hooks als je zuvor. In Songs wie Obey oder Kingslayer klingen sie sogar mehr als einmal auffällig nach den neueren Sachen von the Prodigy. Und in den allermeisten Fällen gehen all diese Experimente wieder mal sehr gut und sorgen für eine LP, die einfach mordsmäßig Spaß macht. Dass es an einigen Stellen etwas über die Strenge schlägt, ist bei so einem Zirkus von einem Album aber auch vorprogrammiert. Teilweise sind das Kleinigkeiten wie einige textliche Holperer von Frontmann Oli Sykes (lyrisch ist vieles hier gut, aber nicht im mindesten so gut wie auf Amo), mitunter aber auch ganze Songs. So ist das Interlude Itch for the Cure einfach ein klein wenig überflüssig und auch der Closer One Day the Only Butterflies Left Will Be in Your Chest as You March Towards Your Death ein ziemlicher Ausrutscher. Der Song macht zum Schluss nochmal ein völlig neues ästhetisches Fass auf, ist damit ein jeher Bruch im Flow der Platte und das Feature von Amy Lee ist leider ziemlich deplatziert. Man kann dabei von Glück sagen, dass der Track ganz am Ende der LP steht, denn so ist vieles vorher zumindest sehr stimmig. Und obwohl es hier insgesamt nur neun Stücke gibt, sind die meisten davon mal wieder so genial, dass der Gesamteindruck ein sehr positiver bleibt. Wie schon der Vorgänger ist Post Human: Survival Horror ein Album, das eindeutige Schwächen hat, diese aber durch grandiose Spitzen wieder herausholt. Letztere sind hier sogar noch ein bisschen toller, gerade weil sie so hart in die Farbe gehen. Und abgefahrene Songs schreiben, das können Bring Me the Horizon mittlerweile. Sie werden sogar immer besser darin.


Hat was von
Enter Shikari
A Flash Flood of Colour

the Prodigy
No Tourists

Persönliche Höhepunkte
Dear Diary, | Parasite Eve | Teardrops | 1x1 | Ludens

Nicht mein Fall
Itch for the Cure (When Will I Be Free?) | One Day the Only Butterflies Left Will Be in Your Chest as You March Towards Your Death

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