Montag, 26. August 2019

Don't Stop Believing






















[ dynamisch | instrumental | rockig ]

Einen besonders umfangreichen Katalog brachte das Projekt Brontide aus Großbritannien in den zehn Jahren seiner Existenz wahrhaftig nicht zustande, gerade mal zwei überschaubare Alben und eine Split-EP wurden von den Briten veröffentlicht. Dies ist wahrscheinlich zuvorderst dem Umstand geschuldet, dass es sich bei ihnen ganz ausdrücklich nie um mehr als um eine Nebentätigkeit der drei Musiker Will Bowerman, Nathan Fairweather und Tim Hancock handelte. Hauptberuflich sind nämlich zumindest zwei der Drei Mitglieder schon woanders ziemlich busy. Fairweather ist seines Zeichens Drummer beim Synthpop-Duos I Was A Cub Scout sowie seit 2012 auch bei Rolo Tomassi aktiv, während Bowerman als Bandmitglied von La Roux und Dua Lipa seine Brötchen verdient. Dass eine Gruppe von Studio- und Tourmusikern sich für ein gemeinsames Kurzzeit-Projekt zusammenfindet ist ja an sich keine so spezielle Sache, die Wahl der stilistischen Marschrichtung in diesem Fall allerdings schon ein bisschen. Als begabte Fachmänner aus den Kontexten Elektro- und Indiepop ist es nicht gerade der nächste Weg zum instrumentalen Mathrock, den Brontide auf ihren beiden Platten spielten. Letztendlich ist das aber vielleicht auch der Hauptgrund dafür, dass sie mit ihrem zweiten Album Artery eines der besten Instrumentalrock-Werke der vergangenen Dekade vorlegten.
Postrock war in den letzten zehn Jahren nicht unbedingt die Stilrichtung mit der besten künstlerischen Konjunkturkurve. Spätestens zu Ende der Nuller machte sich selbst im Kern der Szene ein wenig das Gefühl breit, inzwischen schon alles gehört zu haben. Das ewige Aufbau-Crescendo-Ausbruch-Schnittmuster, nachdem legendäre Acts wie Explosions in the Sky, This Will Destroy You oder Mono ihre einflussreichsten Platten geschneidert hatten, wirkte mehr und mehr übersättigt und die Fülle an furchtbar langweiligen Bands, die sich im Windschatten der großen Künstler*innen drängten, begann langsam aber sicher, öde zu werden. Es gab ein paar Schätze hier und da, doch musste man die Nase wirklich tief ins Bandcamp-Feed stecken, um diese herauszupicken. Für jemanden wie mich, der sich am Anfang der Dekade noch als Postrock-Enthusiast bezeichnete, ist mittlerweile viel von der Magie verloren gegangen. Sicher höre ich noch immer gerne diese Musik und bin nach wie vor jemand, der Instrumentalrock-Platten zu seinen jährlichen Favoriten zählt, doch sind das in meinen Augen Ausnahmen in einem sehr dröge gewordenen Mittelfeld. Brontide jedoch ließen es 2014 für einen Moment nochmal so aussehen, als könnte es eine umfassende Vorwärtsbewegung geben. Als primär popmusik- und melodieaffines Dreigespann brachten sie in ihren Stücken nicht die Bürde der technifizierten Dramaturgie mit, die so viele Bands ihrer Generation hatten. Sie hatten nicht den Anspruch, epische und großkotzige Harmoniebögen zu spannen, die am Ende doch immer nur das gleiche machten wie alle anderen, die so ganz besonders sein wollten. Ihre Songs waren dazu da, einfache und unspektakuläre Songs zu sein, die angenehm zum anhören waren und die zwar die Attribute "instrumental" und "Rockmusik" mit sich führten, aber im Kern irgendwie Popsongs waren. Und das war irgendwie erfrischend. Brontide machen herrlich wenig Schnickschnack, sondern loopen einfach ein paar Gitarrenspuren, setzen vielleicht hier und da einen Effekt drüber und Fairweather trommelt dann ein paar Takte dazu. Das Ergebnis ist eine Postrock-LP, die sich nicht minutenlang mit irgendwelchem Detail-Gepinsel aufhält, sondern nach vorne geht, die in einigen Momenten sogar einen gewissen Party-Faktor hat. Und das war und ist einfach unfassbat erfrischend. Wobei die Briten natürlich nicht unbedingt die ersten sind, die die Idee hatten, dem mäandernden Crecendo-Quatsch mal ein bisschen Beine zu machen. Vergleiche, die in Verbindung mit dieser Platte immer wieder fallen sind Bands wie Russian Circles, And So I Watch You From Afar oder Battles. Und wo man diese Einflüsse durchaus nicht abstreiten kann, haben Brontide doch eine Simplizität, die ihren Sound einzigartig macht. Das beste Beispiel dafür ist denke ich die Performance von Nathan Fairweather. Als ich Artery in meiner ersten Besprechung 2014 die volle Punktzahl gab und es zum Album des Monats erklärte, bekam ich vor allem Kommentare, die meinten, sein Schlagzeugspiel als langweilig und zweitklassig zu entlarvt zu haben. Und sicher, ein John Bohnham ist der Junge nicht. Er spielte nur bisher Popmusik in einer Elektro-Band und versteht es daher, seinen Input auch zurückzunehmen und den Song selbst in den Vordergrund zu stellen. Seine Performance ist nicht bombastisch oder auffällig, aber sie ist on point, was für mich definitiv etwas anderes heißt als das sie mittelmäßig ist. So ähnlich verhält es sich auch mit dem gesamten Album: Artery ist nicht mit der Latte zu messen, mit der man ein Godspeed-Album misst, was leider bis heute viele tun. Handwerklich sind Brontide in meinen Augen eher vom Schlag Two Door Cinema Club oder Phoenix, nur eben als Mathrock-Act. Das macht sie anders und das macht sie spannend. Wenn man mich fragt, ist das der frische Wind, den Postrock zu diesem Zeitpunkt brauchte. Die Frage, ob er das im großen Umfang hätte werden können ist allerdings müßig, denn a) gibt es Brontide seit 2017 nicht mehr und b) bleibt Artery auch weiterhin eine Fußnote im Lexikon des Instrumentalrock. In der Szene waren es wenig später Gruppen wie Moon Relay oder Three Trapped Tigers, die ein bisschen die Lorbeeren für "schnellen, Pop-orientierten Postrock" einheimsten, allen anderen war das ganze sowieso schon lange egal. Für mich ist Artery dennoch eines der herausragenden Alben der vergangenen Dekade, das mich immer wieder von seiner Qualität überzeugt. Und wegen sowas höre ich dann eben doch nicht auf, an Instrumentale Rockmusik zu glauben.

Klingt ein bisschen wie:
Russian Circles
Station

And So I Watch You From Afar
And So I Watch You From Afar

Persönliche Höhepunkte: Tonitro | Bare My Bones | Kith & Kin | Knives | Caramel | Red Gold

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