Mittwoch, 24. Juni 2020

Drums of Passion

[ perkussiv | psychedelisch | technoid ]

Wie schon so oft in den letzten Jahren waren es die Ultrahipster auf Bandcamp, die als erstes den richtigen Riecher hatten und schon vor einer ganzen Weile prophezeihten, dass das Herz der globalen Techno-Bewegung inzwischen auch in Ostafrika schlägt. Bereits 2017 machten sich von dort aus die Kunde jenes neuen Stilverständnisses breit, das in den darauffolgenden Jahren langsam in die szenerelevanten Dancefloor-Blasen sickerte und spätestens jetzt auch außerhalb davon Gehör findet. Mittlerweile hat so gut wie jedes namhafte Format in der Welt der alternativen Musik seinen Senf zu den elektronischen Bewegungen abgegeben, die zurzeit zwischen Südsahara und Madagaskar stattfinden, wobei vor allem ein Name dabei immer wieder auftaucht: Nyege Nyege Tapes. Auf jenem unscheinbaren Indielabel, das seit 2013 in der ugandischen Hauptstadt Kampala ansässig ist, versammeln sich seit etwa vier Jahren die wenigen bekannten Größen der Szene, deren Releases immer wieder in den einschlägigen Artikeln zu finden sind. Angefangen bei Stilipionieren wie Disco Vumbi oder Otim Alpha ist die Plattenschmiede inzwischen Anlaufpunkt für talentierte Producer*innen vom gesamten afrikanischen Kontinent geworden, die hier berechtigterweise ein Sprungbrett in den internationalen Markt sehen. Und obwohl auch ich bereits im Herbst der letzten Saison auf das Phänomen aufmerksam wurde, das sich hinter Nyege Nyege versteckt, war ich doch bisher nicht imstande herauszufinden, was abgesehen vom Exotenbonus des Outlets eigentlich das tolle daran sein sollte. Die paar Platten des Labels, die ich in den vergangenen Monaten punktuell hörte, empfand ich selten als musikalisch aufregend oder speziell und obwohl ich es irgendwie cool fand, dass solche Musik eben nicht mehr nur aus den bekannten verszenten Nischen in Europa und Nordamerika kam, wirkte der Ansatz vieler Nyege Nyege-Acts leider doch etwas dilletantisch und unausgereift. Weshalb es mich aber umso mehr freut, jetzt die Bekanntschaft mit Nihiloxica gemacht zu haben, die mich als erstes so richtig vom Rezept der Kampala-Bubble überzeugen. Die zweiköpfige Formation aus Kampala gehört bereits seit etlichen Jahren zum festen Inventar des Labels und ist eine der Gruppen, die bis dato am wesentlichsten für den Erfolg ihrer Marke verantwortlich war. Dabei gehören sie innerhalb von Nyege Nyege tatsächlich eher zu den etwas exotischeren Künstler*innen, deren Musik von der klassischen Techno-Formel etwas abweicht. Zusätzlich zu den von Deep House und Drum & Bass beeinflussten Beats liegt bei ihnen nämlich ein wesentlicher Fokus auf analoger Live-Perkussion, die auf traditionellen ostafrikanischen Instrumenten gespielt wird und damit eine ganz andere Ästhetik abruft als ihre Kolleg*innen. Im Gegensatz zu deren klumpiger Digital-Ästhetik klingt ihr Ansatz nicht selten ziemlich psychedelisch und körperlich, was auf den ersten Blick schon wesentlich mehr Spaß macht. Und umso schöner war es festzustellen, dass ihr neuestes Album Kaloli (das in Europa erstmals vom belgischen Label Crammed Discs vertrieben wird) auch als Album funktioniert. Wobei erstmal geklärt werden sollte, was man hier eigentlich erwarten kann. Im Gegensatz zum Großteil der aktuellen Nyege Nyege-Releases ist vieles hier verhältnismäßig wenig tanzbar, für Fans von rhythmusgetriebener und perkussiver Musik dürfte hier aber doch einiges dabei sein. Denn im wesentlichen besteht diese LP aus den analogen Live-Beats, die die beiden hier am Schlagwerk erzeugen. Das tolle daran ist, dass sie dafür vor allem einzelne Felltrommeln benutzen, die wenig steril aufgenommen sind und von denen man folglich viele Nuancen hört. Seltener werden diese dazu verzerrt oder durch einzelne elektronische Patterns ergänzt, sodass eine Art psychedelische Monotonie entsteht, die mich teilweise sehr an die letzte Platte von Föllakzoid erinnert. Wird diese dann noch mit den housigen Digital-Flächen kombiniert, die man vor allem im zweiten Teil auf Tracks wie Mukaagafeero oder Busango hört, ist das Ergebnis eine tatsächlich sehr trippige Ästhetik, die man so auf jeden Fall eher selten hört. Und obwohl diese dann mitunter auch etwas eintönig sein kann und ich mir manchmal etwas mehr Farbe in den Stücken gewünscht hätte, bin ich von der Idee der Band doch fasziniert. Nicht nur ist das hier mal ein wirklich origineller Gegenpol zu abgenudelten Techno-Entwürfen aus hiesiegen Breiten, es hebt den gesamten Modus Operandi von Nyege Nyege auf ein völlig neues Niveau. Vergleicht man das hier mit Platten, die auf dem Label noch vor wenigen Monaten erschienen, hört sich Kaloli an wie der Unterschied von einem Demotape zur vollwertigen Studioaufnahme, nicht nur von technischen Gesichtspunkten her. Und genau an diesem Punkt wird es interessant: Denn wenn Nihiloxica den nächsten Schritt in Richtung eines professionellen Album-Sounds gehen, werden dass in näherer Zulunft vielleicht auch andere Acts dieses Labels tun und im Optimalfall das diversifizieren, was sich gerade als der typische Nyege Nyege-Sound durchsetzt. Was bedeuten würde, dass ich womöglich wesentlich interessierter wäre, was den allgemeinen Output des Kollektivs angeht. Freuen würde ich mich darüber auf jeden Fall, denn Potenzial hat diese Szene ja auf jeden Fall. Und es wäre grundsätzlich auf jeden Fall zu begrüßen, wenn das Hipster-Publikum zumindest um eine kleine Leufkundschaft erweitert würde.


Hat was von
Föllakzoid
I

Olatunji
Drums of Passion

Persönliche Höhepunkte
Tewali Sukali | Black Kaveera | Mukaagafeero | Busoga | Salongo | 170819

Nicht mein Fall
-

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