Samstag, 13. Juni 2020

Nicht immer so laut


[ indierockig | retro | schmissig ]

Als ich vor inzwischen etwas mehr als acht Jahren damit anfing, das erste Mal meine eigenen Artikel über Musik zu schreiben und mich dabei im wesentlichen aus der Perspektive eines weißen Indierock-Fans dem Thema näherte, führte für mich kein Weg an No Age vorbei. Wenn man Anfang der letzten Dekade zu einem gewissen Schlag von Szene-Typus gehörte, war das Duo aus Los Angeles zur damaligen Zeit eine der Formationen, die irgendwie wichtig erschienen und von der damals alle glaubten, sie würden die Rockmusik der kommenden Jahre maßgeblich bestimmen. Vor allem ihre zweite LP Nouns von 2009, die heute kein Mensch mehr kennt, wurde damals als eine Art unmittelbarer Klassiker gehandelt und man war sich innerhalb der Bubble einig, mit diesen beiden Künstlern hier sowas wie die neuen White Stripes des Noiserock gefunden zu haben. Dass dem letztendlich nicht so wurde, liegt natürlich im wesentlichen daran, dass das Thema Rockmusik generell zuletzt immer mehr in den Hintergrund der Indiepresse rückte und gerade No Age eine der Bands waren, die doch eher einen alten Status Quo repräsentierten. Man kann allerdings auch ein bisschen dem Duo selbst die Schuld geben, denn während der meisten Zeit in der letzten Dekade, die ja eigentlich prägen sollten, waren sie musikalisch überraschend passiv. Nimmt man mal die Zeitspanne, in der ich als halbvolontärer Plattennörgler insgesamt aktiv war, gab es von den Kaliforniern lediglich zwei Alben, zwischen denen noch dazu ein monumentaler Abstand von fünf Jahren klafft. Das letzte von beiden erschien vor gerade Mal zwei Jahren, und wie sicherlich viele andere war ich bei dessen Release-Ankündigung erstmal einen Moment mit dem Gedanken beschäftigt, dass es No Age überhaupt noch gibt. Wobei ihr zu ihrer Verteidung auch sagen muss, dass die Gruppe bei aller fehlenden Quantität in ihrer Karriere doch zumindest künstlerisch nie wirklich nachgelassen haben. An Object war 2013 vielleicht ein kleiner Dämpfer für viele Fans, doch gerade mit besagtem letzten Album Snares Like A Haircut zeigten die beiden einmal mehr, wie viel Action noch immer in ihren Songs steckt und wie sie zwar keine besonders wichtige, aber doch unterhaltsame Musik machten. Ihre stilistische Ausrichtung hat sich dabei von Shoegaze-infiziertem Noiserock über die Jahre zu einem etwas garagigeren Sound verschoben, der sehr an Indiebands der ersten Generation wie Sonic Youth, Dinosaur Jr. oder auch deren zeitgenössische Nachahmer erinnert. Auf ihrem neuesten Album haben sie diese zusätzlich um ein paar Nuancen aus luftigem Kraut- und Psychrock erweitert, die ziemlich den Vibes der letzten LP von Jeff the Brotherhood entsprechen. Und als grundlegendes Rohmaterial ist das schon mal gar nicht schlecht: No Age klingen hier zwar ein bisschen retro-fixierter als früher und der verwaschene Klangteppich ihrer Anfangsjahre ist einem klareren Songwriting gewichen, das die beiden aber auch ganz vernünftig beherrschen. Tracks wie Feeler, War Dance oder Turned to String sind äußerst akzeptable Rocksongs, die genau auf die gleiche Art und Weise grooven, wie besagte Indie-Pioniere aus den Achtzigern und damit auf jeden Fall Laune machen. Allerdings auch nur in erster Instanz, denn geht man nach der Rock-Tauglichkeit dieser LP, gibt es leider einen Faktor, der diese entscheidend negativ beeinflusst und von dem man leider sagen muss, dass No Age sich dabei schlichtweg selbst in den Rücken fallen. Denn von allen bisherigen Platten in ihrer Diskografie ist Goons Be Gone mit Abstand die am miesesten produzierte. Soll heißen, das obwohl der Gesamtmix eigentlich ziemlich hinhaut (Nicht vergessen: diese Band verschreibt sich seit jeher einer ziemlich eisernen LoFi-Ästhetik, der grobe Sound ist also beabsichtigt) die meisten Instrumente einfach viel zu leise klingen und dieser LP damit komplett die knallige, grantige Ästhetik abgeht, die bisher jede No Age-LP hatte. Und es fällt mir ehrlich gesagt schwer, zu begreifen, woher diese künstlerische Entscheidung so richtig kommt. Würden die beiden hier vor allem ruhige Songs schreiben und sich eher den psychedelischen Jam-Impressionen hingeben, die Songs wie Smoothie oder Toes in the Water anreißen, wäre das ja verständlich. Doch ist Goons Be Gone eigentlich nicht so ein Album, sondern mit seinem kantigen Songwriting und den großen Hooks eigentlich genau das Gegenteil. Weshalb es gerade hier ziemlich schade ist und sich über weite Teile so anfühlt, als würde man nur die Light-Version der eigentlichen Show geboten bekommen. Die Platte wird dadurch nicht unbedingt ruiniert, doch hätte das hier rein Songwriting-mäßig mal wieder eine sehr gute No Age-LP werden können, die ich so lediglich ganz okay finde. Was für eine so grundstabile Band wie diese eigentlich auch schon wieder bedeutet, dass sie zu den schwächeren gehört. Und das ist äußerst schade, denn eigentlich hätte ich als Fazit meines ersten Artikels über diese Jungs gerne gesagt, dass es sich noch immer lohnt, ihr Zeug zu hören. Und obwohl das am Ende trotzdem stimmt, würde ich dieses Album vielleicht erstmal weglassen. Denn besser waren diese beiden definitiv wann anders.


Hat was von
Sonic Youth
Sonic Nurse

Pile
A Hairshirt of Purpose

Persönliche Höhepunkte
Feeler | Smoothie | War Dance | Turned to String | Agitating Moss

Nicht mein Fall
-

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