Dienstag, 23. Juni 2020

Letztendlich doch Volksmusik


[ folkloristisch | erwachsen | gemächlich ]

Es gibt zurzeit so einige Mando Diao-Fans von früher, die sich wundern, warum ihre Lieblingsband von einst jetzt gerade dieses Album macht. Ein Album, das so furchtbar unrockig, schmalzig, seicht und selbstzufrieden klingt, als wäre es von einer ganz anderen Band gemacht worden. Und ja, ein bisschen kann ich das verstehen. Wer die Schweden zuletzt auf Platten wie Give Me Fire oder Aelita gehört hat, als sie noch so richtig erfolgreich waren, wird über eine LP wie I Solnedgången sicherlich erstmal staunen. Die fünf Borlänger, die irgendwann mal für ruppige Rockbretter wie Dance With Somebody, Down in the Past oder Black Saturday bekannt waren, üben sich hier doch sehr in innerer Einkehr, erwachsener Gemächlichkeit und loungiger Kulturradio-Dadrock-Attitüde. Nimmt man dazu die Tatsache, dass sie hier komplett in Landessprache singen, kann sich schon ein sehr befremdliches Gesamtergebnis ergeben, das erstmal die Frage provoziert, ob man sich hier nicht verklickt hat. Lediglich wer sich in den letzten zehn Jahren wirklich die umfangreiche kreative Trivia von Mando Diao zu Eigen gemacht hat (und das haben sicher die wenigsten), wird wissen, dass diese Ästhetik so neu eigentlich gar nicht ist. Denn bereits vor acht Jahren gab es von ihnen schon mal ein sehr ähnliches Projekt namens Infruset, auf dem sie ihre lyrisch-folkloristische Seite erstmals anschnitten. Damals behandelten sie im Rahmen eines Auftragswerks den Katalog des schwedischen Volksdichters Gustaf Fröding, was bei ihnen anscheinend ein wenig romantisches Tingeltangel provozierte, denn schon hier klangen sie dabei plötzlich sehr erwachsen und gefällig. I Solnedgången ist 2020 eigentlich nicht mehr als der konsequente Anschlusspunkt an diese Platte und wer sich nach der Motivation dahinter fragt, muss sich eigentlich nur mal die Zahlen ansehen: Mando Diao gibt es inzwischen seit über zwanzig Jahren und so gut wie alle Mitglieder der Band gehen straff auf die vierzig zu. Abgesehen davon sind sie mittlerweile an dem Punkt in ihrer Karriere, an dem der Mainstream sich von ihnen abkehrt und man neue Wege finden muss, sich kreativ auszudrücken. Ihre letzten beiden klassischen Rockplatten waren weder besonders originell noch besonders erfolgreich. Und zumindest wenn man mich fragt, hätte es deutlich schlimmer laufen können als mit diesem Album. Sicher, es ist ein bisschen zahm, dafür aber auch authentisch und rein musikaisch das beste, was Mando Diao seit einer ganzen Weile gemacht haben. Mit Texten, die zum Teil von der Band selbst, zum Teil aber wiederum aus der schwedischen Volkslyrik und unter anderem aus der Feder von Björn Dixgårds Vater Hans stammen, ergibt sich hier wieder ein ähnlich folkloristisches Motiv wie auf Infruset, das diesmal auch durch ein ausgefeilteres Songwriting ergänzt wird. Die Attitüde ist dabei eindeutig Dadrock, aber gespickt mit ein paar sehr angenehmen Jazz- und Psych-Einflüssen, die auch deshalb nicht so kitschig wirken, weil hier auf schwedisch gesungen wird. Außerdem ist es auf jeden Fall ein Faktor, dass Björn Dixgård mit dem Alter ein immer besserer Sänger wird und mit seinem rauhbeinigen Rocker-Timbre einen gewissen Gegenpol zur sauberen Ruhe der Instrumentalparts hat. Sein Input gibt dem Album extrem viel Persönlichkeit, die es in den entscheidenden Momenten daran hindert, vollständig im loungigen Norah Jones-Vibe zu versumpfen. Aber selbst wenn dem so wäre, könnte das noch immer nichts gegen das hervorragende Songwriting, die fabelhafte Instrumentierung und die generell wunderbare Stimmung dieser Platte ausrichten, die mich extrem begeistert. Ich muss mich ein bisschen wundern, warum ausgerechnet diese LP diejenige ist, die Mando Diao für mich wieder so richtig interessant macht, zumal sie ja nicht die erste ist, auf der sich ihr klangliches Rezept verändert, aber sie ist es irgendwie. Und vor allem könnte ich mir vorstellen, mehr von dieser Version der Band in Zukunft zu hören. Auch wenn das bedeuten würde, dass sie endgültig zu einer sehr nischigen Angelegenheit werden.


Hat was von
Norah Jones
Pick Me Up Off the Floor

Eric Clapton
Unplugged

Persönliche Höhepunkte
I Solnedgången | Kvällstilla | Långsamt | Stjärnornas Tröst | Sparven | Stigen | Själens Skrubbsår | Kullen Vid Sjön | Tid Tröste

Nicht mein Fall
Vaggvisa Under Stora Björn

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