Donnerstag, 4. Juni 2020

Pacino, Casino, De Niro und Kino und Kilos


[ oldschool | soul-infiziert | ostküstig ]

Ich bin mir ehrlich nicht sicher, ob ich als Nicht-Hiphop-affiner Nicht-Amerikaner 2020 eigentlich langsam eine Meinung zu Freddie Gibbs haben müsste, doch dass es mir nach so vielen Jahren auch immer noch schwer fällt, finde ich schon irgendwie seltsam. Immerhin höre ich die Musik des Kaliforniers nun schon seit über einer halben Dekade und habe zumindest zum Großteil seiner Alben seitdem einen gewissen Standpunkt. Trotzdem entzieht sich die Gesamtheit seines musikalischen Charakters für mich noch immer einer gewissen Einordnung und ein bisschen beginne ich zu befürchten, dass der Grund dafür schlichtweg das Fehlen eines solchen ist. Ich meine das gar nicht böse: Freddie Gibbs ist definitiv ein talentierter Rapper, der technisch überzeugt und einen gescheiten Text schreiben kann, doch ist sein künstlerisches Profil noch immer sehr oberflächlich. Abgesehen davon, dass er ziemlich in den Neunzigern hängen geblieben ist, sich klanglich allgemein eher den harten Jungs zuordnet und in deren Tradition anscheinend viele Filme von Martin Scorcese gesehen hat, gibt es an ihm nicht viel festzustellen, abgesehen davon, dass er einem gewissen Tupac Shakur sehr ähnlich sieht, was die Sache nicht eben besser macht. In meinen Augen hat sich Freddie Gibbs während der letzten Dekade vor allem als recht solider, aber vor allem auswechselbarer Gangsterrap-Platzhalter etabliert, der einen guten klassischen Vibe abliefert und dabei selten patzt. Weshalb es auch kein Wunder ist, dass seine zwei bis dato beliebtesten Alben jene Kollaborationen mit Madlib sind, die jeweils 2014 und 2019 erschienen. Es ist einfach sehr mein Eindruck gewesen, dass eine LP, auf der dieser Typ rappt, ziemlich gut dazu gemacht ist, dem instrumentalen Teil der Hiphop-Formel Platz einzuräumen und herauszustellen, sodass auch ich inzwischen stets hellhörig werde, wenn - wie beispielsweise auf Alfredo - wieder irgendein prominenter Beatmaster die neue Gibbs produziert. Und mit the Alchemist ist das diesmal sogar ein echter Lieblingskünstler von mir, der hier auch schon zum zweiten Mal auf der Matte eteht. Bereits 2018 hörte man die beiden gemeinsam mit Curren$y auf einer Mini-LP namens Fetti, die für mich zu den vergessenen Hiphop-Highlights jener Saison zählte und das Erfolgskonzept Gibbs plus Alchemist schon mal bestmöglich zu pitchen vermochte. Auf Alfredo wird dieses nun inoffiziell aufgefrischt und überzeugt vom Fleck weg mit den gleichen Parametern: Der Sound ist oldschoolig und rauhbeinig, die Themen sind düster und die Themen kriminell, wobei beide Parteien ziemlich gut ihren Job machen. Auf der Seite der Instrumentals liefert der Alchemist eine für zehn Tracks sehr vielschichtige Palette von klassischen Soul-Beats ab, die von rabiat (Frank Lucas) bishin zu ätherisch (Skinny Suge) reichen. Freddie tut seinerseits gut daran, mit seinem typisch rumpeligen Neunziger-Timbre diese Kulisse textlich auszukleiden, wobei er vor allem durch ein paar ziemlich flotte Flow-Passagen auffällt. Diese Herangehensweise reicht dann immerhin für ein paar echt solide Nummern und ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir zumindest wenig explizit negativ auffällt. Alfredo ist für mich ähnlich wie schon Fetti vor allem als Vibe interessant und als solcher funktioniert es durchaus. Was aber auch heißt, dass auffällige Aha-Momente eher nicht die Regel sind. Und wenn sie passieren, dann meistens deshalb, weil noch jemand drittes dazukommt. Der wohl wirkmächtigste Track dieser Art ist dabei mit Sicherheit Something to Rap About mit Tyler, the Creator, der im Vorfeld der Albumveröffentlichung eine gewisse Resonanz erzeugte und diese auch definitiv rechtfertigt. Mit seinem sahnigen Beat und jeweils sehr guten Performances von beiden Rappern ist er schlichtweg ein sehr guter Hiphop-Moodsetter vom Typus eines Nuthin' But A "G" Thang oder It Was A Good Day, der nicht viel Kontext braucht, um gut zu sein. Die zwei weitaus besten Beiträge auf diesem Album kommen aber wie so oft bei Alben dieser Denkart zustande, weil jemand die glorreiche Idee hatte, Benny the Butcher und Conway the Machine von Griselda Records einzuladen. In den beiden von ihnen abgelieferten Strophen (respektive in Frank Lucas und Babies & Fools) steigt das Energielevel direkt ab ihrer ersten Zeile merklich an und fällt sofort ab dem Moment, wo die Hook wieder einsetzt, wieder auf den chilligen Standard. Was mir letztendlich zwei Sachen vor Augen geführt hat. Erstens: Diese beiden Rapper gehören definitiv gerade zu den talentiertesten Leuten im momentanen Rap-Business und zweitens: Wenn zwei Features hier so einen krassen Unterschied machen, dann ist das zugrundeliegende Material vielleicht doch etwas zu gewöhnlich. Und ein bisschen ist das tatsächlich das Problem von Alfredo. Vergleicht man das hier mit dem etwas derberen Fetti, gibt es hier wesentlich weniger Action, und obwohl die Songs hier prinzipiell gut sind, sind sie selten herausragend. Alchemist und Freddie machen zwar durchaus ihren Job, viel mehr aber auch nicht. Was gerade bei so einer Paarung besser hätte laufen können. Zumal ersterer ja dieses Jahr schon eine Platte zusammen mit Conway the Machine gemacht hat, die einen ähnlichen Sound einfach sehr viel interessanter anpackte. Man kann also im Endeffekt sagen, dass hier einfach die Chemie nicht so ganz stimmt und irgendwie das gewisse Etwas fehlt. Oder wir einigen uns darauf, dass Griselda einfach an allem Schuld sind und diese Platte absichtlich sabotiert haben. Das ich zumindest in meinen Augen eine sehr befriedigende Erklärung.


Hat was von
Westside Gunn
Pray for Paris

Flatbush Zombies
BetterOffDEAD

Persönliche Höhepunkte
1985 | God is Perfect | Scottie Beam | Frank Lucas | Something to Rap About

Nicht mein Fall
-



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