Montag, 8. Juni 2020

Die mit dem gutem Gewissen


[ triumphal | fett | politisch ]

Es ist ein allgemein anerkannter Sachverhalt, dass Run the Jewels in den musikalischen Annalen des vergangenen Jahrzehnts eine der Rap-Gruppen sind, auf die sich so ziemlich alle einigen konnten und es ist absolut nachvollziehbar, warum das so ist. Selbst für viele Leute, die den großen Hiphop-Zirkus der letzten Dekade nur peripher wahrgenommen haben und die dieser vielleicht nicht so interessierte wie die meisten anderen, war das charismatische Zweigespann aus Killer Mike und El-P eine beliebte Adresse und ich kenne aus dieser Zeit sogar viele recht engstirnige Rock- und Metal-Fans, die für diese beiden Typen zwischenzeitlich sehr viel Liebe hatten. Und auch ich finde auf einer ganz sachlichen Ebene, dass es viele großartige Argumente dafür gibt, RTJ cool zu finden. Die beiden sind als öffentliche Figuren die meiste Zeit äußerst sympathisch (zumindest bis auf Killer Mikes ab und an aufflackernden Wummenfetisch) und haben einen großartigen Humor, gleichzeitig sind sie mit ihren Songs aber auch stets am Puls der Zeit und scheuen sich nie, deutliche politische Statements zu setzen, die weh tun können. Und für die Leute, die eher auf einen oberflächlichen Konsum aus sind, haben die beiden seit jeher eine großartige Chemie in ihren Performances und mit El-P noch dazu einen der besten Hiphop-Produzenten der letzten zwanzig Jahre auf dem Residenzposten. Mit all diesen Qualitäten ausgestattet ist es ihnen dann nicht zuletzt auch gelungen, zwischen 2013 und 2016 eine der stabilsten Album-Trilogien der letzten Dekade zu veröffentlichen, die durchweg empfehlenswert ist und für viele zum elementaren Rap-Kanon der Zwotausendzehner gehört. Und obwohl ich in dieser Huldigung immer etwas verhaltener war und keines ihrer drei Alben ein wirklicher Mega-Favorit von mir ist, fand ich ihren Output doch immer schwer in Ordnung und muss zumindest zustimmen, dass Run the Jewels nie langweilig oder schlecht waren. Was eine stilistische Sicherheit ist, über die auch ihre vierte LP definitiv wieder verfügt und die mittlerweile schon fast ein Selbstverständnis ist. Wobei die Parameter weiterhin die üblichen sind. RTJ4 ist rabiates, fett produziertes und politisch bristantes Hiphop-Album, das zwar viel experimentellen Schnickschnack anstellt, aber nie wirklich danach klingt. Und als ersten großen Pluspunkt muss ich an dieser Stelle wieder einmal die großartige Chemie zwischen den beiden MCs und El-Ps großartige instrumentale Arbeit anführen. Von allen bisherigen Projekten der beiden ist das hier höchstwahrscheinlich das mit der meisten klanglichen Kohärenz, wobei ständig ein Song in den nächsten übergeht und trotz Elementen aus Rock, Dancehall, Soul und Electronica alles wie aus einem Guss klingt. Und wie um das noch zu unterstützen geben sich auch die Rap-Performances hier ständig die Klinke in die Hand und fügen sich großartig zusammen. Was in den besten Momenten dazu führt, dass die beiden Beastie Boys-mäßig jeweils die Punchlines des anderen beenden und Strophenteile komplett überlappen lassen. Es macht jede Menge Spaß, den beiden hier zuzuhören und allein technisch ist diese LP ein weiterer Triumph. Auch das Einbeziehen von Features, das auf früheren RTJ-Platten manchmal ein bisschen awkward war, klappt diesmal wesentlich besser und ist mit Gästen wie Josh Homme, Pharell Williams, Mavis Staples und Zack de la Rocha erneut erstaunlich divers. Und natürlich sind ihre Texte und Themen auch diesmal wieder extrem politisch brisant. Es ist fast ein bisschen gruselig, wie aktuell einige Passagen auf diesem Album (vor allem in Walking in the Snow) sind, die sich explizit mit Polizeigewalt außeinandersetzen und somit gerade jetzt total relevant sind. Was in Anbetracht der Tatsache krass ist, dass die Platte in dem Moment, als das Thema vor anderthalb Wochen wieder groß in den Medien landete, ja eigentlich schon fertig war. Andererseits ist gerade Killer Mike in den letzten Jahren stets einer der Leute gewesen, die dieses Thema auch dann in die Debatten brachten, wenn es gerade nicht in den Nachrichten war, was ihn als Sprachrohr für dieses Thema natürlich umso qualifizierter macht. Und viele Tracks auf dieser LP sind solche, die seine Wut (und natürlich auch die seines Partners) über die bestehenden Verhältnisse dann auch sehr eindrucksvoll zeigen - was diese Platte als Statement ebenfalls sehr wertvoll macht. Obwohl aber so viele Sachen bei Run the Jewels diesmal wieder ganz toll funktionieren und ich das Album theoretisch super gerne mag, muss ich ein weiteres Mal sagen, dass ich zwar angetan, aber nicht begeistert davon bin. RTJ4 überzeugt mich durchweg und zeigt mir, dass dieses Duo weiterhin sehr gut die Musik macht, die sie schon immer gut konnten. Das ist eine fabelhafte Sache, aber es ist weder neu noch besonders. Und in Anbetracht der Tatsache, dass ich in Bezug auf diese Band noch nie so euphorisch war wie viele andere, bleibt es von meiner Seite aus bei einer soliden Zwei Minus für die beiden. Denn Anerkennung für ihr Tun verdienen Run the Jewels auf jeden Fall, nur fühle ich eben nach wie vor keine Begeisterungsstürme dabei. Und ich weiß auch nicht, ob sich das je nochmal ändert, wenn die Formel jedes Mal so unverändert bleibt.

Ach ja, und eine Sache noch:
#BlackLivesMatter


Hat was von
Action Bronson
Mr. Wonderful

Wu-Tang Clan
A Better Tomorrow

Persönliche Höhepunkte
Ooh La La | Holy Calamafuck | Goonies vs. E.T. | Just | the Ground Below

Nicht mein Fall
-

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