Dienstag, 23. Juli 2019

Flämischer Hattrick





















[ lebensverachtend | kaskadisch | finster ]

Es ist nicht einfach, eine Sache dreimal hintereinander richtig gut zu machen. Es ist ja schon schwer genug, das nur ein einziges Mal zu schaffen. Im Profifußball sind es nur die besten Teams, die in einer richtig guten Saison das magische Dreieck aus Meisterschaft, Pokal und Meisterliga nach Hause holen, in der Filmbranche sind die Drehbücher die erfolgreichsten, die einen Witz an drei Stellen gut erzählen und in der bildenden Kunst war das Tryptichon einst eine klassische Königsdisziplin. Und gerade Kulturgüter, die ein solches Triple in irgendeiner Form ausgeführt haben, sind auf eine mythische Weise immer etwas besonderes, von den Pyramiden von Gizeh bishin zur Original-Trilogie von Star Wars. Was natürlich heißt, dass sich auch in der Popmusik - natürlich rein zufällig - ständig dieses Muster wiederfindet. Bowies Berlin-Alben, Brockhamptons Saturation-Saga oder Neutral Milk Hotels King of Carrot Flowers-Songs sind nur einige Beispiele. Und ich persönlich halte eigentlich wenig von solchem Hokuspokus, weil das ganze in den meisten Fällen schlichtweg Einbildung und Wunschdenken ist. Dennoch gab es in den letzten fünf Jahren eine Band, die das Kunststück vollbracht hat. Drei thematisch zusammenhängende Longplayer hintereinander, von denen jeder für sich ein Meisterwerk ist und die gemeinsam das vielleicht großartigste Stück Black Metal sind, die ich in dieser Zeit gehört habe. Die Rede ist natürlich von Wiegedood und ihrer atemberaubenden Trilogie De Doden Hebben Het Goed. Stand 2019 ist die gesamte Diskografie dieser Gruppe - bestehend aus besagten drei Platten - in meinen Augen absolut makellos und die Belgier einer der Acts, die im gesamten Metal-Kosmos gerade die beste Musik abliefern. Zwölf Songs in etwas weniger als zwei Stunden, die allesamt Filetstücke in diversen Spielarten des Black Metal sind und inhaltlich zu den düstersten Sachen gehören, die ich in den letzen zehn Jahren gehört habe. Da wundert es nicht, dass Wiegedood in diesem Bereich schon vor ihrer Gründung einiges an Erfahrung hatten. Entwachsen ist das Trio der flämischen Postmetal-Szene, insbesondere dem Dunstkreis der Church of Ra, einer der wichtigsten stilistischen Mikrokosmen der letzten zwanzig Jahre, in dem so prägende Bands wie Amenra und Oathbreaker ihr Zuhause haben. Mit ihrer Affinität zum Nihilismus und zu überpersönlichem Projekt-Crossover passen sie auf jeden Fall auch perfekt in dieses Umfeld. Innerhalb der Bubble sind sie aber Teil einer gewissen Art von New School, die auch nicht darum verlegen ist, klanglich das große HiFi-Besteck rauszuholen und den eisernen DIY-Spirit der älteren Vertreter nicht ganz so bierernst zu nehmen. Spätestens mit DDHHGIII, das 2018 bei Century Media erschien, konnte man bei Wiegedood ein bisschen den Drang wittern, aus dem Dasein als Fanfavoriten auch ein bisschen Kapital zu schlagen (was ihnen im übrigen niemand übel nimmt). Was man auf jeden Fall sagen kann ist, dass die Belgier von den Resten des Blackgaze-Hypes noch ein paar ziemlich gute Platten machten. Als Teil Eins 2015 mit sehr atmosphärischem, glasklar produziertem Brachial-Sound in den Ring stieg, meinte man noch, hier eine weitere Inkarnation der in dieser Zeit zu tausenden aufkommenden ABM-Bands zu hören (wenngleich auch eine der damals besten). Und obwohl Wiegedood an ihrem klanglichen Konzept bis zu Teil Drei wenig veränderten, haben sie sich doch als durchaus wandelbar gezeigt. DDHHGII probierte sich 2017 mit einem sehr ruppigen Sound aus, der etwas untergrundiger daherkam als das Debüt, andererseits auch schräge Dinge ausprobierte und der Welt demonstrierte, wie unglaublich metal ein Didgeridoo sein kann. Die dritte LP vom letzten Jahr war dann wiederum eine sehr vielseitige, die zwischen dem hardcorigen Prowl und dem epochalen Titeltrack eine unglaubliche Spannweite beackerte und trotz des etwas hastigen Songwritings den perfekten Abschluss der Trilogie bildete. Und in diesem letzten Punkt findet sich in meinen Augen das wesentliche der Wiegedood-Diskografie bis hierhin. Trotz der Unterschiede, die alle drei Platten aufweisen, funktionieren sie immer noch am besten zusammen. Auf eine sehr abstrakte und finstere Weise sind sie quasi das musikalische Gegenstück der Before-Trilogie von Richard Linklater: Jeder Teil ändert seinen Stil ein kleines bisschen und setzt das Narrativ unter neuen Bedingungen fort, das Futter des Produkts ist aber überall das gleiche und nur als Dreierpack ergibt das ganze am Ende wirklich Sinn. Wiegedood selbst wissen das am besten. Im letzten Jahr spielten sie eine ganze Tour, auf der sie die komplette Saga von DDHHG performten, diesen August erscheint eines dieser Konzerte darüber hinaus als Live-LP. Vermutlich ist das ganze am Ende zwar auch nur eine panische Maßnahme von Century Media, noch ein paar Groschen aus der (nunmehr höchstwahrscheinlich abgeschlossenen) Trilogie zu pressen, doch sie zeigt, was Wiegedood damit angerichtet haben: DDHHG ist ein gewaltiger Brocken Musik, der in der Welt des Metal seine Spuren hinterlassen hat und ein kleines Nebenprojekt aus Belgien zum großen Verkaufsschlager der Szene gemacht hat. Vor allem ist es aber ein Brocken, der qualitativ in diesem Ausmaß nicht so schnell zu erreichen ist, vielleicht nicht mal von Wiegedood selbst. Und ein Teil von mir meint deshalb auch, dass es an diesem Punkt Zeit wäre, die Band zu beerdigen. Wobei der Großteil von mir trotzdem noch überzeugt ist, dass wir in diesem Fall noch einiges verpassen würden.

Klingt ein bisschen wie:
Batushka
Panihida

Deafheaven
New Bermuda

Persönliche Höhepunkte: Svanesang | Kwaad Bloed | De Doden Hebben Het Goed | Onder Gaan | Ontzieling | Cataract | De Doden Hebben Het Goed II | Smeekbede | Prowl | De Doden Hebben Het Goed III | Parool

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen