Sonntag, 14. Juni 2020

Es ist kompliziert


[ lyrisch | komplex | minimalistisch ]

2020 wäre für Billy Woods und Elucid eigentlich der perfekte Zeitpunkt gewesen, um mit ihrer Musik ein bisschen kuscheliger zu werden, und ich bin dabei durchaus der Meinung, dass es ihnen vielleicht nicht schlecht getan hätte. Denn schon in den letzten Jahren erwies sich nicht nur bei ihnen diese Tendenz als durchaus erfolgsversprechend. Ich bin seit einiger Zeit der Meinung, dass das New Yorker Duo als einzelnes Phänomen Teil einer größeren Entwicklung im Hiphop war, die gerade viele spannende Untergrund-Gewächse langsam an die Oberfläche schwimmen lässt. Zuerst passierte es 2017 mit Milo, wenig später mit Quelle Chris, Kenny Segal und Billy Woods und im Zuge dessen auch schon mit Armand Hammer selbst: Die coolen Kids der Reddit-Bubbles und auch viele Leute außerhalb der Szene wurden langsam auf die Dinge aufmerksam, die sich bereits seit einer guten Dekade in der Schattenwelt des Conscious Rap abspielen und verhalfen damit einigen Künstler*innen zu einem völlig neuen Profil. Und wo einige Acts wie Quelle Chris oder Segal diese Zeichen erkannten und seit einer Weile einen Zacken kommerzieller unterwegs sind, gibt es einige - unter ihnen Armand Hammer - die der neuerliche Erfolg anscheinend reichlich wenig tangiert. Nachdem 2018 ihr drittes Album Paraffin einen kleinen Achtungserfolg in der Szene erzielte und vor allem ihrem Mastermind Billy Woods endlich mal ein seinen hochverdienten Kritiker-Applaus bescherte, wäre es sicherlich eine Möglichkeit gewesen, die hochkomplexe und experimentelle Ästhetik des Projekts ein bisschen benutzungsfreundlicher zu gestalten und die neu gewonnenen Fans bei sich willkommen zu heißen. Doch so wie es auf Shrines aussieht, ist mehr oder weniger das Gegenteil passiert. Denn Stand 2020 ist das hier mit ziemlicher Sicherheit das klobigste, sperrigste und gewöhnungsbedürftigste Album, das die beiden bisher gemacht haben. Oder zumindest im Kontext ihres momentanen Karriereverlaufs. Wäre so ein grantiger Brocken nach dem Debüt Race Music von 2013 erschienen, wäre das wahrscheinlich sehr viel weniger ungewöhnlich oder vielleicht sogar logisch gewesen, da Armand Hammer am Anfang ihrer Karriere genau für diesen Sound bekannt waren: Lyrisch hochkomplex und politisch, performativ bewusst minimalistisch und mit instrumentalen Motiven, die nicht selten abschreckend uncatchy waren. Kurzum so etwas wie die Niklas Luhmanns des nachdenklichen Hiphop. Und auch wenn diese stilistische Ausrichtung höchst eigenwillig war, sie hatte durchaus ihre Energie. Eine Energie, die man in den letzten Jahren ein bisschen vergessen hatte, weil sie diese langsam aber sicher ablegten. Auf späteren Platten wie Rome und Parrafin klangen Armand Hammer noch immer ziemlich nerdig, aber waren ästhetisch ein bisschen aufgeweicht und gefälliger geworden. Was auf jeden Fall einer der Gründe für den minimalen Erfolg bei ihren neuen Fans war. Weshalb es für die vielleicht erstmal so klingen dürfte, als wäre Shrines ein mittelmäßiges Album. Und wenn wir ehrlich sind, für alle anderen auch. Sogar ich als jemand, der Race Music damals ohne Vorwissen hörte und obendrein noch gut fand, war erstmal schockiert von den klobigen Brocken, die mir Woods und Elucid hier vorwerfen. Ein Eindruck, zu dem vor allem die extrem minimalen Beats ihren Teil beitragen. So gut wie jeder der 14 Tracks hier besteht aus nicht viel mehr als einem kontinuierlich geloopten Sample, das meistens nicht weiter ausgefeilt wird und auf Dinge wie Hooks oder Breaks komplett verzichtet. Das heißt der Fokus liegt hier fast zu hundert Prozent auf den Lyrics der beiden Rapper, die es sich natürlich nicht nehmen lassen, jede Line dreimal um die Ecke zu denken und Wortspiele einzubauen, für die man eigentlich Fußnoten bräuchte. Nimmt man dazu, dass die Stile von Woods und Elucid sich von jeher sehr ähnlich sind, kann ich absolut niemanden dafür verurteilen, diese Platte als monoton zu empfinden. Beziehungsweise sehe ich ein, dass man auf sowas stehen muss. Und obwohl ich am Anfang ebenfalls sehr spektisch war, bin ich mittlerweile zumindest etwas mehr an Bord, was Shrines angeht. Wobei der Selling Point letztendlich genau diese kackige Attitüde ist, mit der Armand Hammer hier gegen den Strom schwimmen. Denn beweisen müssen sie letztendlich niemandem etwas. Dass ein Sound wie dieser bei ihnen funktioniert, wissen wir eigentlich schon seit ihrem Debüt, er musste hier nur erstmal wieder ankommen. Und der große Bonus ist, dass er diesmal sogar noch besser funktioniert, weil die beiden Rapper inzwischen sieben Jahre hatten, um sich als Duo warmzuspielen. Zusätzlich dazu versammeln sie hier eine ziemlich illustre Horde an obskuren Feature-Gästen wie Nosaj (mein persönliches Highlight auf der LP), Pink Siifu, Fielded und Curly Castro, die in den meisten Fällen einiges zum musikalischen Erlebnis beitragen und ihre berühmteren Kollegen wie Milo, Quelle Chris und Earl Sweatshirt (der in letzter Zeit immer öfter auf Platten wie diesen auftaucht) teilweise den Rang ablaufen. Weshalb es am Ende doch nicht ganz richtig ist zu sagen, dieses Album wäre nicht unterhaltsam. Ist es schon, nur auf eine komplett andere Weise als ein Paraffin oder ein Guns. Es wäre eine ziemlich plumpe Kritik, Shrines nur deshalb weniger zu mögen, weil es nicht so zugänglich ist, ich verstehe aber auch total, wenn man an so etwas so überhaupt nicht herankommt. Denn es ist ja schließlich nicht so, als wären Armand Hammer nicht schon dann kompliziert, wenn sie mal gefällig sein wollen.


Hat was von
Ghostface Killah & Badbadnotgood
Sour Soul

Milo
Who Told You to Think

Persönliche Höhepunkte
Bitter Cassava | Pommelhorse | King Tubby | Frida | Dead Cars | the Eucharist

Nicht mein Fall
Flavor Flav

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