Montag, 9. März 2020

Bei gleichbleibender Genialität

 [ philosophisch | eloquent | jazzig ]

Über eine gewisse Zeit während der letzten Dekade konnte man durchaus sagen, dass Rory Ferreira einer meiner Lieblingsrapper gewesen ist. Seine sehr tiefschürfende poetischen Ausführungen, seine philosophisch geprägten Texte, seine nerdige Attitüde und sein Faible für gediegene Jazz-Samples machten ihn in den letzten Jahren immer wieder zu einem Künstler, dem ich besonders gerne zuhörte und der eine besonders spannende Charakteristik von Hiphop vertrat, ob nun als Milo, Scallops Hotel oder gemeinsam mit seinem Kumpel Elucid als Nostrum Grocers. Dass ich in diesem Zusammenhang hier trotzdem das Präteritum verwende, liegt daran, was davon am Ende dieser Dekade noch geblieben ist. Denn obwohl ich seine Platten grundsätzlich immer mochte und Ferreira seit 2014 in mehreren Jahresendlisten auftauchte, ist sein Output letztlich doch keiner gewesen, der eine besonders lange Halbwertszeit hatte. Mit seinem kommerziellen Debüt A Toothpaste Suburb schuf er zwar eines der in meinen Augen besten Alben der Zwotausendzehner, doch nahm seine Diskografie danach nicht nur qualitativ ab, sondern wurde auch ziemlich routiniert und wiederholte immer wieder die gleichen Formeln. Von dem guten Dutzend Platten, die er zwischen 2014 und 2019 veröffentliche, finde ich immer noch viele ziemlich gut, echte Highlights gibt es aber bestenfalls noch eine Handvoll und für mich ist Ferreira schon seit einer Weile in ein Level von Gewöhnlichkeit abgerutscht, bei dem ich zumindest nicht mehr bei jeder neuen LP eine künstlerische Offenbarung erwarte. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Denn egal wie sehr der Rapper in den letzten Jahren versucht, seine musikalische Formel etwas aufzufrischen und in neuen Kontexten zu präsentieren, so richtig hat das bisher nicht funktioniert. Und gerade 2019 war dabei ein Jahr des vergeblichen großen Umbruchs: Zum ersten Mal seit fünf Jahren gab es in dieser Saison weder ein neues Album von Milo noch von Scallops Hotel, dafür eine von ihm gehostete Compilation seines Labels Ruby Yacht sowie die ersten Lebenszeichen eines neuen Projekts namens R.A.P. Ferreira, welches hier nun seinen ersten Longplayer präsentiert. Der technische Unterschied zum sonstigen Output des Rappers ist dabei, dass dieser hier erstmals eine Art Band um sich versammelt, die im wesentlichen die Arbeit eines klassischen Jazz-Trios macht (plus Kenny Segal als Produzenten), was ja an sich keine schlechte Idee ist. Nur ist es praktisch eine völlig sinnlose, weil Purple Moonlight Pages trotz dieser strukturellen Erneuerung am Ende des Tages wieder klingt wie ein typisches Milo-Album. Und wie auch schon dessen letzte Projekte ist das prinzipiell ziemlich gut, aber auch extrem routiniert. Weshalb man schon ein eiserner Fan sein muss, um hier die feinen Unterschiede herauszuhören. Die Situation ist ein bisschen so wie die des letzten Bohren & der Club of Gore-Longplayers: Eigentlich müsste man mittlerweile total genervt davon sein, wie stoisch diese Leute hier zum zigsten Mal das gleiche musikalische Muster reproduzieren, man muss aber auch zugeben, wie gut sie ihr Handwerk verstehen und ist dehalb trotzdem sehr okay mit dem Ergebnis. Ich will die Genialität dieser Platte nicht beschreien, weil sie nichts bietet, was man nicht auch auf So the Flies Don't Come oder Who Told You to Think findet, sie ist aber trotzdem noch da. Die krude Poesie von Ferreira, die nerdigen Oneliner zwischendurch, die existenzialisierten Alltagsbeobachtungen und die Art, wie das alles trotzdem nicht überfordernd ist, weil das gemütliche klangliche Backing konsequent die Ästhetik eines dieser LoFi-Hiphop-Sets auf Youtube vermittelt. Was R.A.P. Ferreira hier machen, ist zweifelsohne sehr gute Musik und ich will sie nicht dafür strafen, dass ihre Stagnation auf einem verdammt hohen Niveau stattfindet. Es ist nur halt nicht besonders originell. Was in letzter Konsequenz bedeutet, dass ich am Ende des Tages trotzdem wieder hooked bin. Und ich darf das auch, weil ich Fan bin. Die Formel ist im Endeffekt ja ziemlich simpel: Wenn man die Sachen von Milo und Scallops Hotel schon vorher mochte, mag man mit großer Wahrscheinlichkeit auch das hier. Wenn nicht, braucht man jetzt auch nicht mehr damit anzufangen. Den Platz unter meinen Favoriten kriegt Purple Moonlight Pages, weil Rory Ferreira diesen Platz in den letzten Jahren quasi schon reserviert hat und ihn nur noch bestätigen muss. Und mit dieser LP passiert das auf gewohnte Weise, aber eben auch extrem zuverlässig. Womit er vielleicht nicht ganz so besonders ist wie ich zunächst annahm, dafür ist er qualitativ stabil wie wenige. Und das sind letztendlich die Künstler*innen, auf die man sich immer wieder freut.



Klingt ein bisschen wie
Negroman
Prequel

Milo
Budding Ornithologists Are Weary of Tired Analogies

Persönliche Höhepunkte:
Decorum | Noncipher | Omens & Totems | U.D.I.G. (United Defenders of International Goodwill) | Dust Up | Cycles | Absolutes | Mythical | Pinball | Ro Talk | Masterplan

Nicht mein Fall
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