Donnerstag, 27. September 2018

Damit die Fliegen nicht kommen





















Als ich vor vier Jahren das erste Mal über Milo schrieb, war er zumindest in meinen Augen einer der interessantesten Rapper der Welt. Sein Ansatz war so weit weg von allen anderen in seiner Branche, thematisch war er so viel weiter voraus, musikalisch so stimmig und ästhetisch extrem mutig, dass er aus dem Stand zu einem meiner Lieblings-MCs der nächsten Jahre wurde. Und seit seinem Debüt A Toothpaste Suburb lieferte er in dieser Hinsicht nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ. Seit 2014 gab es fast jede Saison ein Album von ihm, seit 2017 außerdem jeweils noch eine Bonus-EP seines neuen Projektes Scallops Hotel (vor kurzem sogar noch eine Kollabration mit Elucid), wobei jeder dieser Longplayer für mich zu einem Lieblingsalbum wurde. Aber wo dieses Überangebot an guter Rapmusik ganz klar viel Wohlwollen meinerseits ausgelöst hat, kommt irgendwann eben auch der Punkt, an dem die Sättigung einsetzt. Irgendwann ist die Masche, mit der Milo musikalisch spielt eben nicht mehr überraschend, die ewigen chilligen Jazz-Samples abgenutzt, der nonchalante Spoken Word-Flow anstrengend und die nerdigen Anspielungen auf Aphorismen zur Lebensweisheit nur noch Gimmicks. Kurz gesagt: die künstlerische Identität dieses Typen, die einst so originell war, wird zu Formel. Und eigentlich war bereits sein letztes Album Who Told You to Think??!!?!?!?! an diesem Scheideweg angekommen. Die Ideen waren soweit bekannt, die Ausführung nicht wirklich neu und die Themen zwar spannend, aber im üblichen Rahmen. Der einzige Grund, warum ich die Platte trotzdem so sehr mochte, dass sie am Ende des Jahres unter meinen 30 Favoriten landete, war der, dass Milo diese ganze Masche dort noch einmal cleverer und durchdachter anwandte und am Ende sogar eine Art Konzeptalbum daraus machte. Das Problem blieb aber das gleiche. Und mit seinem Nachfolger Budding Ornithologists Are Weary of Tired Analogies kommt nun die lange herausgezögerte Rache dafür. Schon der Titel der LP ist in seiner Sperrigkeit exemplarisch für das, was in diesen 38 Minuten passiert und der Karriere des Rappers auch endlich mal den notwendigen Dämpfer verpasst. Zwar ist die Platte alles andere als scheiße, viele Songs sind sogar mindestens genauso gut wie die Sachen auf den Vorgängern, doch diesmal siegt schließlich doch die Ermüdung. Der große Fehler ist, dass Milo sich hier damit begnügt, ein "normales" Album zu machen, das eher wie ein Mixtape anmutet, statt einen größeren Bogen zu spannen oder wie bei Scallops Hotel die Parameter des Hiphop ad absurdum zu führen. Tatsächlich ist die LP, mit der Budding Ornithologists... am ähnlichsten ist, vielleicht So the Flies Don't Come von 2015, meiner bisherigen Lieblingsplatte von ihm. Indem sie aber zeigt, wie wenig sich seitdem entwickelt hat, ist sie gleichzeit auch seine erste ein wenig enttäuschende. In den guten Momenten ist dabei erstmal alles wie früher: Man freut sich über die leichtfüßige Groovigkeit der Beats, ist entzückt vom Flow der Songs und begeistert von Milos cleveren Anspielungen. Sobald aber eine dieser Komponenten nicht hinhaut (was meistens im Bereich Beats der Fall ist), merke ich, dass ich auf Durchzug schalte. Und das ist der Moment, wo ich stutzig werde, denn genau das passierte mir vorher nie. Sicher, der chillige Vibe seiner Tracks lud schon immer dazu ein, das Gehirn abzuschalten, doch im Gegensatz dazu standen immer die Lyrics, die sich mit ihren bohrenden Gedankenspiralen in den Vordergrund stellten. Hier ist das nicht mehr der Fall, und obwohl das bestimmt nicht zuletzt an der Sprachbarriere liegt, fällt es auf. Und ich schließe daraus, dass es hier Stellen gibt, an denen Milo mich langweilt. Diese sind meistens einzelne Stücke und ganz generell fühle ich mich auch von dieser LP gut unterhalten, doch als Begeisterung möchte ich das ganz ehrlich nicht mehr bezeichnen. Es hat einfach ein bisschen die Flaute eingesetzt bei diesem Rapper. Was das für seine weitere Karriere heißen könnte, darüber will ich im Moment noch nicht mutmaßen. Dass Milo komplett die Spannung verliert glaube ich ebensowenig wie ich glaube, dass das hier nur ein vorübergehender Verschnaufpunkt ist. Wenn seine Musik weiter interessant sein will, muss sich etwas ändern, das ist ganz klar. Nur würde genau das eben auch bedeuten, dass er in Zukunft zumindest teilweise diesen organisch geformten Stil opfern muss, der ihn so einzigartig macht. Die wie ich finde beste Lösung dafür hat er aber eigentlich schon geliefert, nämlich in Form des Scallops Hotel-Projektes, das momenten am ehesten wie das Kaleidoskop wirkt, in dem Milo seine eigene Musik zu etwas neuem und wiederum sehr originellen zurecht bricht. Vielleicht finde ich ja hier die Innovation, die sein primäres Angebot langsam nicht mehr hat. Und am Ende könnte ich mir sogar vorstellen, dass genau das auch im Sinne des Schöpfers ist.






Persönliche Highlights: Mythbuilding Execise No. 9 / Nominy / Failing the Stress Test (I Guess I'll Be Heading Then) / Mid Answer Trying to Remember What the Question Is / Aubergine Cloak / Stet

Nicht mein Fall: Galahad in Goosedown (Fiat Iustitia et Pereat Mundus) / the Esteemed Saboteur Reggie Baylor Hosts an Evening at the Scallops Hotel

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