Mittwoch, 12. September 2018

Paul ist alt





















Paul McCartney war in den letzten Wochen für einen Musiker mit seiner Vergangenheit überraschend mitteilungsbedürftig. Frei von der Leber weg lästerte er über seinen Kumpel John Lennon, erzählte davon, wie sie gemeinsam masturbierten, wie er Ringo Starr mal fast verprügelt hätte und seine Version des wirklichen Endes der Beatles. Es war alles ziemlich kontrovers für einen sonst eigentlich so sympathischen Rock-Opa wie ihn und wie viel davon letztlich noch Promo-Talk war, konnte man nur schwer einschätzen. Die Wirkung des ganzen war eben blöderweise, dass sein neues Album Egypt Station dabei ein bisschen hintenüber fiel. Ist ja auch klar, dass die Leute nichts mehr davon wissen wollen, wenn Sir Paul McCartney von seiner wilden Jugend in der größten Band der Welt erzählt. Und anscheinend klappt die Kanye-Masche ja auch nicht bei allen. Trotzdem ist es natürlich nicht kleinzureden, wenn das einzige noch wirklich aktive Fab Four-Mitglied eine neue LP veröffentlich, was aller Jubeljahre ja doch noch mal passiert. Vor allem, weil die Erwartung, dass diese bahnbrechend werden, mittlerweile wirklich überschaubar sind. Auf die Frage, welches das letzte richtig gute Album des Briten war, kann ich aus heutiger Sicht keine klare Antwort geben und vielleicht hat es sowas ja schon seit den Siebzigern nicht mehr gegeben. In dem Zusammenhang ist es dann auch gar nicht so schlimm, dass Egypt Station definitiv in die unterste Schublade seiner Diskografie gehört. Es fällt schwer zu sagen, weil das hier schließlich der Typ ist, der Helter Skelter und Let It Be geschrieben hat, aber diese Platte ist ein absoluter Totalausfall. Und das liegt vor allem daran, dass es McCartney es auch mit 76 nicht hinbekommt, in Würde zu altern. Das Problem existiert wohlgemerkt schon länger, nicht umsonst trug seine letzte LP von 2013 den Namen New. Der geadelte Popstar hängt des öfteren mit Kanye West und Dave Grohl rum, gibt in Late Night Shows gerne den Kasper und ist auch sonst kein besonders seriös wirkender Zeitgenosse. Wo man ihm das aber absolut nicht vorwerfen kann und ich ihm seine Leichtigkeit in keinster Weise missgönne, wird es in seiner Musik doch stets zum Problem. Dieses Album dürfte dafür selbst das beste Beispiel sein. In nicht wenigen Songs schmeist sich der Songwriter hier an stromlinienförmigen Millenial-Pop ran, singt über One Night Stands, übers Kiffen und Partymachen und hat dabei maximal so viel Tiefgang wie Emo-Posts von Teenagern auf Tumblr. Einen Track wie Fuh You sollte man von keinem Menschen seines Alters mehr hören müssen, und dabei ist dieser rein klanglich noch einer der besten hier. Von den 16 Stücken, die McCartney auf dieser LP vereint, gibt es gerade mal eine handvoll, die nicht komplett peinlich sind. Who Cares hat einen ganz vernünftigen New Wave-Touch und Back in Brazil immerhin ein cooles Flötensolo. Danach hört es aber zum großen Teil auch schon auf. Entweder ist die Musik einfach nur öde, auf eine ekelhafte Art jugendlich oder man weiß gar nicht so richtig, mit welchem Ziel eigentlich gearbeitet wurde. Von Dingen wie großen Melodien, spannender Komposition oder charismatischer Performance braucht man gar nicht erst anfangen. Egypt Station ist furchtbar unfokussiert, viel zu aufgedreht und in seiner Wirkung trotzdem irgendwie lahm. Am allerschlimmsten ist Paul McCartney hier mit Abstand aber als Texter und Sänger. Ein besonders toller Lyriker war er ja noch nie, aber dass er solchen Schrott schreibt, überrascht mich dann doch. Reime wie "you" auf "too" oder ähnlich amateurhaftes findet sich so gut wie überall und in Sachen Deepness übertrifft ihn selbst XXXtentacion um Längen. Dass er sich damit ohne Scheu auch in gesellschaftskritisches und konkret politisches Terrain wagt, macht die Sache nicht besser. Zumal er sich auch noch ständig an gesanglichen Hakenschlägen versucht, die er schon lange nicht mehr schafft. Solche Details in der Performance sind dann aber nur die Sahnehaube auf einem Totalschaden von Album, das bis auf wenige Ausnahmen eine Ansammlung von Scheußlichkeiten ist. Es ist nicht komplett unhörbar, aber zumindest zu großen Teilen. Ob man das Paul McCartney jetzt als Ausrutscher ankreidet oder darin einen Trend sieht, ist mir eigentlich egal, nur sollte man ihn nicht aus dem Grund schonen, weil er mal ein Beatle war. Denn wahrscheinlich war selbst mehr kreative Energie im Raum, als er sich damals mit John Lennon einen runterholte, als es diese auf Egypt Station gibt.







Persönliche Highlights: Who Cares / People Want Peace / Back in Brazil

Nicht mein Fall: Opening Station / I Don't Know / Happy With You / Fuh You / Dominoes / Caesar Rock / Despite Repeated Warnings

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