Sonntag, 16. September 2018

Keys to Success





















Es gibt einfach zu viele junge, selbstbewusste Indierock-Songwriter*innen mit Garagen-Einschlag, die eigentlich ganz gute Musik machen, als dass man über jede*n von ihnen ausführlich berichten könnte. Selbst jemand wie ich, der - zumindest aus eigener Perspektive - schon viel zu viele von ihnen abdeckt, kann nicht überall auf dem laufenden bleiben. Und weil der Andrang gerade in den letzten Jahren immer größer geworden ist, muss man sich eben entscheiden. So war beispielweise eine durchaus beliebte Künstlerin wie Julien Baker für mich bisher eher kein Thema, während ein Tim Darcy oder Kevin Morby vielleicht nicht so angesagt waren, aber ich sie persönlich ziemlich spannend fand. Wobei manche von ihnen immer wieder weder das eine noch das andere sind. Das beste Beispiel dafür ist seit einiger Zeit sicherlich Katie Crutchfield aka Waxahatchee. Die Sängerin aus Alabama ist schon ziemlich genau so lange aktiv, wie ich dieses Format hier schreibe und hat mich dabei in regelmäßigen Abständen sowohl beeindruckt als auch enttäuscht. Angefangen mit ihrem große Hoffnung stiftenden Debüt Cerulean Salt von 2013 hat sie für mich sehr verschiedene Phasen durchlaufen, die allesamt recht gut dokumentiert sind. 2015 zeigte ich mich von ihrem zweiten Werk Ivy Tripp wenig angetan, letztes Jahr landete sie mit LP Nummer drei nur noch in der Schnelldurchlauf-Rubrik, weckte dort aber wieder ansatzweise mein Interesse. Womöglich hätte ich von nun an davon abgesehen, noch einmal über sie zu schreiben, hätte sie nicht gerade jetzt ihre beste Platte seit Jahren veröffentlicht. Zwar ist Great Thunder nur eine 17-minütige EP mit sechs Stücken, doch könnte sie als kleiner Ausreißer in der musikalischen Identität von Crutchfield durchaus Bedeutung erlangen, möglicherweise sogar ein Wendepunkt sein. Denn wo Waxahatchee vorher stets als vordergründiges Gitarrenrock-Projekt funktionierte, ist diese kleine Tracksammlung die erste der Künstlerin, die zum überwiegenden Teil auf dem Klavier geschrieben wurde. Das klingt erstmal nach keiner großen Sache, doch ist es tatsächlich nicht weniger als die kompositorische Neuausrichtung des gesamten Stils von Crutchfield. Dominierte vorher eine sehr garagige Marschrichtung, ähnlich der von Angel Olsen oder Laura Marling, wird sie spätestens hier von der Rockerin zur Songwriterin, die eher an Sharon van Etten oder Moonface erinnert. Und es schafft definitiv neues kreatives Potenzial für sie. Nicht, dass diese Sammlung von Tracks sofort viel besser ist als ihre alten Sachen, im Gegenteil: Nach den bisher sehr energischen Alben muss man sich an den zurückgezogenen neuen Sound erstmal gewöhnen. Was in dieser reduzierten Form aber viel besser wirkt, ist Crutchfields Persönlichkeit, die ganz ohne jeden Schnickschnack hier viel mehr aufblüht. Die Texte erscheinen eindringlicher, man achtet zum ersten Mal wirklich darauf, was für eine talentierte Sängerin diese Frau ist und wie wenig sie doch mit all diesen anderen Künstler*innen gemein hat, mit denen man sie immer vergleicht. Teilweise ist man sich gar nicht sicher, ob man hier überhaupt dieselbe Person hört wie noch auf dem letzten Album. Was aber fest steht ist, dass Waxahatchee dieses neue Klanggewand mindestens so gut steht wie das alte, und dabei gehe ich schwer davon aus, dass diese Tracks hier nur ein Feldversuch waren. Sobald Crutchfield die Ergebnisse daraus in eine größere kompositorische Struktur einwebt, die anfängliche Zartheit überwindet und vielleicht auch die Band-Instrumentation von davor zurückholt, könnte etwas richtig großes dabei rauskommen. Und dann hoffentlich auch das Loch füllen, das das Ausbleiben einer neuen Sharon van Etten-LP seit 2014 bei mir hinterlassen hat.







Persönliche Highlights: Singer's No Star / You're Welcome / Slow You Down / Takes So Much

Nicht mein Fall: You Left Me With An Ocean

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