Sonntag, 30. September 2018

10 Songs im Septemer 2018 (Lana del Rey, Thom Yorke, DCVDNS, Soap & Skin, Scarlxrd, Little Simz und und und)
























1. SOULFLY
Ritual

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Alle reden ja zurzeit vom großen Wiederaufbäumen des New Metal und obwohl ich bisher eher kein großer Fan dieser Idee war, machen ausgerechnet Soulfly mir das ganze jetzt schmackhaft. Die zweitwichtigste von einem Mitglied des Cavalera-Clans geführte Band dieser Erde (die wichtigste sind noch immer Sepultura) gibt es schon fast so lange wie das Subgenre selbst, und es ist nicht davon auszugehen, dass sie dabei mit der selben postironischen Anti-Ästhetik rangehen wie Scarlxrd, über den wir gleich noch reden. Dennoch ist Ritual ein unheimlich grooviger, knüppelharter Brecher, der sogar den berühmten Jonathan-Davis-Scat wieder salonfähig machen will. Und für die Dauer eines Songs finde ich das erstmal gar nicht verkehrt.

2. SCARLXRD
Tell Me Yxu Lxve Me

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Klar ist dieser Song albern, die Lyrics cringy und die Produktion äußerst dürftig, aber mag man Scarlxrd nicht gerade deswegen, weil er so angestengt einen auf edgy düsteren Anime-Emoboy macht? Zumindest mir geht es da so, weshalb eine Trennungsballade von ihm logischerweise pures Gold ist. Zwischen Bring Me the Horizon, Ghostemane und dem ersten selbstgeschriebenen Gedicht eines Vierzehnjährigen gelingt dem MC hier ein wahres Prachtstück des Emo-Rap, das die Dinge, die ihm an inhaltlicher Cleverness fehlen, mit ganz viel Emotion wieder zuteert. So und nicht anders macht man diese Art von Musik: Rumheulen first, Bedenken second.

3. LITTLE SIMZ
Boss

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Little Simz hat wieder Promophase, und Kenner*innen ihrer Musik wissen, was das heißt: Im wöchentlichen Takt erscheinen gerade Songs und Videos, die hoffentlich noch zum Ende dieses Jahres in ein neues Album münden. Im Gegensatz zum (grandiosen!) Vorgänger Stillness in Wonderland sind ihre aktuellen Tracks wieder wesentlich direkter und fokussierter und setzen ganz deutlich auf Simz' Qualitäten als MC. Boss ist unter ihnen der beste, weil er zusätzlich noch eine hammermäßige Hook und einen echt genialen Bass-Lick abliefert, die ihn zu einem dieser versteckten Banger machen, die diese Künstlerin schon immer sehr gut konnte.

4. ROSTAM
In A River

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Ich bin mir nicht sicher, ob Rostam für diesen Song ein Sample aus Eddie Vedders Into the Wild-Soundtrack verwendet hat, passen würde es aber auf jeden Fall: Die erste neue Single des Ex-Vampire Weekend-Manns ist ein euphorischer Sommerhit, in dem es um Sachen wie Nacktbaden, nächtliche Lagerfeuer und Liebe machen im Gebüsch geht. Ganz im Stil dieses pastoralen Charmes wartet der Songwriter hier mit Vance-Joy-Ukulele, atmosphärischen Synths und sogar einer niedlichen Violine auf. Gekittet wird das ganze durch die typisch unkonventionelle Rostam-Beatfrickelei, die am Ende doch noch dafür sorgt, ihn nicht in einem Atemzug mit den Lumineers und George Ezra nennen zu müssen. Definitiv eine der verspäteten großen Sommer-Hymnen dieses Jahres.

5. THOM YORKE
Suspirium

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Nachdem Jonny Greenwood schon lange sein Glück im Feld des Kino-Scores gefunden hat, macht nun auch Kollege Thom Yorke Filmmusik. Und wenn man mal alleine nach diesem ersten Stück Song urteilt, war das seine beste Entscheidung seit langem. Suspirium ist vielleicht der beste Einzeltrack, den er solo bisher aufgenommen hat und in seiner gesamten Art und Weise absolut atemberaubend. Viel von dieser Wirkung ist sicher dem geschuldet, dass Yorke den Laptop hier gegen ein Piano und ein paar Flöten tauscht, doch auch das Songwriting an sich ist in diesen dreieinhalb Minuten einfach Zucker. Vielleicht das erste Mal, dass ein Soloprojekt eines Radiohead-Mitglieds das Wirken der Band wenigstens für eine Weile in den Schatten stellt.

6. DCVDNS & TAMAS
Struggle (prod. AsadJohn)
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Ich mag Struggle, weil es ein sehr ehrlicher Rapsong ist, und weil er das typische Narrativ von Hiphop sehr geschickt umdreht, wie man es zumindest von DCVDNS seit Jahren kennt. Statt um Geld und Autos geht es darin um die sehr realen Schwierigkeiten, seinen Unterhalt mit Musik zu verdienen, sich dabei zwischen Fan-Erwartungen, Realness-Ansprüchen und den eigenen künstlerischen Moralvorstellungen durch die Label-Bürokratie zu winden und dabei trotzdem noch Bock auf den ganzen Mist zu haben. Das tolle dabei ist, das wir das ganze von zwei Rappern erzählt bekommen, die nicht nur technisch, sondern auch Storytelling-mäßig sehr gut aufgestellt sind und gerade Tamas' Strophe geht dabei ziemlich an die Substanz. Ein besonderer Song, bei dem man wieder mal der Überzeugung ist, dass dieser nur existiert, weil Rap auch existiert.

7. SOAP & SKIN
Italy & (This is) Water

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Zuerst ist man ein bisschen verwirrt bei diesem obskuren Song-Doppel von Anja Plaschg, denn einen so warmherzigen Track wie Italy kennt man vo ihr eigentlich nicht. Sonnige Bläsersätze, niedliche Synth-Pluckereien und ein Text, der ein euphorisches Liebesgedicht zu sein scheint. Ist Soap & Skin jetzt etwa weich geworden? Die Antwort darauf gibt (This is) Water wenig später in einem ganz klaren Nein. Auf den euphorischen Sommer-Jam folgt hier ein furchtbar düsterer Choral, der selbst für diese Künstlerin ein ganz schöner Brocken ist. Und wem der Kontrast musikalisch noch nicht reicht: Im verlinkten Video ist all das noch schön verstörend bebildert. Was folgt daraus? Man sollte eine Anja Plaschg nicht unterschätzen, wenn es um klangliche Plot-Twists geht.

8. ADRIANNE LENKER
Symbol
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Vielleicht kennt man Adrianne Lenker als Sängerin von Big Thief, ich allerdings kenne sie auch erst so richtig seit diesem Song, einer wunderbar intimen, runtergefahrenen Songwriting-Nummer, in der Lenker lediglich eine Gitarre braucht, um große Gefühle in Bewegung zu setzen. Viel ist nicht dran an ihrer ersten Single als Solokünstlerin, aber mehr als das hier braucht sie auch nicht. Vielleicht macht sie das zu einem Klischee, in meinen Augen braucht es aber unglaublich viel kompositorisches Talent, um so eine Nummer abzuziehen. Und ich hoffe, dass sie mir wegen noch mehr solcher Sachen auch mal in Erinnerung bleibt.

9. LANA DEL REY
Venice Bitch

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Wir haben lange davon geredet, dass die Musik von Lana del Rey an sich ja ganz cool ist, aber endlich eine frische Beatmung braucht, mal etwas wagen muss und nicht immer das gleiche ausdrücken soll. Und lange schien es so, als wäre das alles reine Hypothese. Bis die Sängerin vor ein paar Wochen dann diese unglaubliche Neun-Minuten-Nummer raushaut, an der keine einzige Sekunde uninteressant klingt. Ihren Vorgänger Mariners Apartment Complex fand ich ja eher so lala, aber das hier ist ihr erster richtig großer Wurf seit Born to Die-Zeiten und macht mich tatsächlich sehr neugierig auf das im Januar kommende Album.

10. J.I.D.
151 Rum
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Glaubt man den Amis, dann ist J.I.D. so etwas wie der kleine Kendrick Lamar und auch wenn man sich seinen Flow, seine Musik, seine Texte und seine stimmliche Performance anhört, macht das sehr viel Sinn. Das coole ist aber, dass er im Gegensatz zu Kendricks musikalischem Zwilling Logic auch wirklich das nötige Talent hat, um diesen Style zu fahren. Und auch wenn 151 Rum am Ende nur ziemlich gut von Backseat Freestyle geklaut ist, ein unterhaltsamer Track ist es doch allemal. Und sollte zumindest dafür reichen, diesen Typen auf die Radare einiger Leute zu bringen. Wenigstens bis Kendrick ihn dann entweder signt oder in Grund und Boden beeft.

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