Dienstag, 25. September 2018

Good Kid, b.h.a.d. Business



Ich bin anscheinend die einzige Person, die so empfindet, aber für mich ist die Karriere von Bhad Bhabie während der letzten 24 Monate nicht weniger als eine kleine Sensation. Nachdem die damals 13-jährige Danielle Bregoli im September 2016 durch einen Auftritt in einer Talkshow für problematische Teenager zum ersten Mal viral ging, dachte eigentlich niemand, dass daraus mal etwas größeres werden würde. Ihr "cash me outside"-Catchphrase war ein ziemlich lahmes Meme und die junge Frau eines von vielen Opfern blöder Privatsender. Hätte sie damals die Füße stillgehalten, hätte sie wahrscheinlich ein friedliches Leben führen können. Stattdessen fing sie an zu rappen. Und an dieser Stelle wurde die Sache für mich interessant. Denn was zunächst wirkte wie ein ziemlich erbärmlicher Schrei nach Aufmerksamkeit, wurde schnell zu einer ziemlichen Erfolgsstory. Bregolis erste Single These Heaux war überraschenderweise ziemlich gut, sie arbeitete darauf sehr geschickt mit ihrem vorher etablierten Zicken-Charakter und versteifte sich trotzdem nicht auf ihre Existenz als kurzlebiges Meme, was wenig später auch die erste große Rendite abwarf. Als sie, inzwischen unter dem Namen Bhad Bhabie, 2017 bei Atlantic Records unterschrieb, war das Geschrei groß. Hatte es tatsächlich ein schlechter One-Liner aus einer noch schlechteren Talkshow im Alter von gerade mal 14 Jahren zu einem ausgewachsenen Major-Deal gebracht? So funktioniert scheinbar dieser amerikanische Traum, von dem immer alle reden. Was aber viel wichtiger war: Diese Bhad Bhabie war tatsächlich ziemlich gut. Klar war von Anfang an klar, dass bereits bei These Heaux ein ziemlich beeindruckendes Team an Songwriter*innen hinter den Kulissen arbeitete, doch wenigstens trafen diese ausnahmsweise mal die richtigen Entscheidungen. Songs wie Gucci Flip Flops oder Hi Bich waren ehrliche Hits und mischten zumindest in meinen Augen den ziemlich lahm gewordenen Trap-Mainstream ordentlich auf. Stand September 2018 waren also zwei Jahre vergangen, in denen Danielle Bregoli und ihr Musik- und Marketingstab absolut alles richtig gemacht hatten. Dennoch war ich skeptisch, ob die nächste große Hürde nicht doch etwas zu hoch für sie war: Ein Debütalbum. Bhad Bhabie hatte sich zwar bewiesen, aber war bisher doch eher eine Single-Künstlerin, noch dazu keine besonders vielseitige. Und den langen Atem, einen ordentlichen Longplayer du fabrizieren, traute ich ihrem Team nicht wirklich zu. Obwohl ich nun, da ich 15 gehört habe, sagen muss, dass sie sich zumindest nicht blamieren. Am Maßstab des momentanen Traprap-Standards gemessen ist das hier immerhin mittlerer Durchschnitt. Es gibt Rapper*innen, die spannender und künstlerisch durchdachter sind, es gibt aber auch Rapper*innen, die wesentlich langweiliger sind. Und wenn Bhad Bhabie eines mitbringt, dann ist es Charakter. Ich hatte befürchtet, die bratzige und pubertäre Performance von Bregoli würde auf Albumlänge ein Problem werden, doch in der Produktion wurde genau das gut kanalisiert. Es gibt eben jene Auf-die-Fresse-Tracks, in denen diese Attitüde funktioniert und wenn sie es nicht tut, wird mit Features und Autotune abgeholfen. Das ist vielleicht nicht gerade die edelste Variante, mit Bregolis gewöhnungsbedürftigen Flow umzugehen und gerade die gesungenen Balladen gelingen hier nicht immer zu hundert Prozent, aber wenigstens wurde damit umgegangen. Genauso wie versucht wurde, ein bisschen musikalische Vielfalt in die Sache zu bringen. Stücke wie No More Love oder Trust Me sind obligatorische Stilbrecher, die sogar ganz okay sind und die Bhad Bhabie Story, die diverse Ereignisse aus den letzten zwei Jahren im Sopken Word-Format erzählt, ganz ans Ende zu packen, ist vielleicht ein bisschen ein Klischee, aber irgendwie auch cool. Und es sorgt nicht zuletzt für Credibility, denn die Marke Bhad Bhabie vermarktet zwar ein Image, aber durchaus eines, das seine Kratzer und unschönen Seiten hat. Sie ist kein Justin Bieber, der per Default Setting auf eitel Sonnenschein getrimmt wurde oder eine Miley Cyrus, die mit 21 auf Knopfdruck ausfällig wird, sondern das gebrannte Kind mit Arschloch-Vater und alkoholkranker alleinerziehender Mutter. Das sie so angepriesen wird, unterscheidet sie letztendlich jedoch auch nicht von der großen Masse der Kinder- und Teeniestars und dass dieses Album existiert, ist am Ende auch ein großer Kritikpunkt für mich. Ich mag die Musik von Bhad Bhabie, aber ich möchte dabei nicht unkommentiert lassen, dass es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit um eine junge Frau handelt, die das Versprechen des Erfolgs anlockte und die nun als Goldesel vor die Musikindustrie gespannt wird, solange sie es noch nicht besser weiß. Danielle Bregoli ist gerade Mal 15 Jahre alt und ist besonders durch ihre gut laufende Musikkarriere bereits Dingen wie Erfolgsdruck, Hate Speech und einer frühen Sexualisierung ihrer Person ausgesetzt. Sicher, ihre neue Profession ist auch ein Ausweg aus den präkeren Verhältnissen, denen sie entstammt, aber deshalb keineswegs unkritisch zu sehen. Bhad Bhabie ist eine Künstlerin, die vielleicht echt das Zeug hat, eine ernsthafte Musikerin zu werden und ihr das jetzt schon zu vergraulen, wäre fatal. Kein Mensch braucht einen zweiten Michael Jackson.






Persönliche Highlights: Juice / Gucci Flip Flops / Geek'd / Famous / Hi Bich / Bout That / Bhad Bhabie Story (Outro)

Nicht mein Fall: 15 (Intro) / Affiliated

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