Dienstag, 11. September 2018

Traumsand für Jason





















Es kann tatsächlich gut sein, dass ich für dieses Zeug wohl einfach zu jung bin. Dass es daran liegt, dass mein Eindruck von den frühen Nullerjahren lediglich ein rückblickender ist und Nostalgie dabei für meine Gefühle über diese Zeit eben keine Rolle spielt. Dass ich nicht dabei war, als Platten wie Let It Come Down, Amazing Grace oder Ladies and Gentlemen, We Are Floating in Space rauskamen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Spiritualized einfach kein so großes Ding ist, wie immer alle sagen. Vielleicht ist Jason Pierce einfach nur ein Typ, den die Presse ganz besonders gerne mag, weil er ein bestimmtes Ideal von Popmusik repräsentiert. Und weil man sich auf ihn irgendwie immer verlassen kann, wie er seit 20 Jahren eine sehr sichere Form ein und desselben Stils spielt. Zumindest wenn man mich fragt, sind er uns sein ewiges softes Hippie-Britpop-Psychpop-Gewese nämlich schon ziemlich überbewertet. Ähnlich Leuten wie Spoon, Anna Calvi oder Father John Misty scheint er aber eine künstlerische Immunität gegen negative Kritiken zu besitzen, denn wo man hinsieht, wird er über den grünen Klee gelobt, obwohl seine Arbeiten seit Jahren nicht mehr das sind, was sie mal waren. Das fängt schon damit an, dass er sich für seine Projekte inzwischen extrem viel Zeit einräumt und damit selbst mittelmäßigem Material einen gewissen Charakter der Exklusivität gibt, die diese überhaupt nicht verdienen. Seine letzte LP Sweet Heart Sweet Light von 2012 war bestenfalls okay, trotzdem stand sie am Ende des Jahres bei so gut wie Allen auf der Bestenliste. Und auch im Vorfeld dieses neuen Albums wurde ihm allerorten der rote Teppich ausgerollt, dabei waren die ausgekoppelten Singles im Vorfeld wirklich ziemlicher Kram. Ein so ermüdender Snoozer wie Here It Comes (the Road) Let's Go ließ selbst Kurt Vile wie einen brutalen Adrenalin-Junkie wirken und auch Let's Dance war im Endeffekt nicht mehr als ein mieser Etikettenschwindel. And Nothing Hurt war folglich ein Album, auf das ich mich in den letzten Wochen wirklich kein bisschen freute. Und tatsächlich ist das erfreulichste, was ich über die Platte nach ihrem Erscheinen sagen kann auch, dass hier wider Erwarten kein kompletter Verriss nötig ist. Denn zumindest ein gutes Mittelmaß erfüllt Jason Pierce hier. Sicher, es gibt viele dieser Momente, in denen er es mit dem Chill-Faktor um ein paar Reverb-Effekte übertreibt oder unangenehm onkelig nach Mark Oliver Everett klingt, doch das ist zum Glück nicht die ganze Wahrheit. Ebenso gibt es hier nach wie vor die bratzigen Blues-Mundharmonika-Soli, die verrückten Big Band-Momente oder die Madchester-Einschläge, die in meinen Augen das wirkliche Talent des Briten sind. Zwar gehen auch die nicht immer gut, wie im hemmungslos übertriebenen Psych-Jazz-Outro von the Morning After, doch zumindest sorgen sie dafür, dass auf diesem Album auch mal irgendwas passiert. Sie sind die Paukenschläge auf einer LP, die sich für die meiste Zeit viel zu gut dabei gefällt, lauwarm rumzuleiern und mit gedrosseltem Tempo auf mittelmäßigem Pop-Songwriting herumzureiten, das zum letzten Mal 2005 ernsthaft als Pop bezeichnet werden konnte. Besonders albern finde ich dabei die riesengroßen Band-Arrangements, die in den allermeisten Songs auch dick aufgetragene Streicher und Bläser mit einbeziehen, aber überhaupt nichts bringen. Zum einen, weil die Komposition einfach totaler Mist ist und zum anderen, weil sie im Mixing so weit in den Hintergrund gerückt wurden, dass man von ihnen fast nichts mehr mitkriegt. Stattdessen wird viel zu viel Aufmerksamkeit auf die tranige und müde Gesangsperformance von Pierce gelegt und der Rest flach und matschig weggedrückt. Eine bessere klangliche Aufarbeitung hätte sicherlich viele dieser Stücke zumindest ein bisschen besser gemacht, doch für ihre Verhältnisse ist And Nothing Hurt erstaunlich mies produziert. Obwohl viele Songs hier vom inneren Frieden und von den schönen Seiten des Lebens handeln, wirkt das Ergebnis eher wie eine musikalische Abhandlung über Routine, Lagerkoller im Studio und künstlerischen Burnout. Es ist als Gesamtergebnis nicht komplett scheiße, aber es lässt einen tiefen Blick in die Musik von Spiritualized zu, der wenig angenehmes offenbart. Und wahrscheinlich werden gerade trotzdem wieder viele Blog-Spaten total darauf abgehen, was die Briten hier abliefern. Sollen sie auch ruhig, denn dann haben wenigstens sie Spaß an einer Sache, die anscheinend nicht mal mehr Jason Pierce selber gerne macht.







Persönliche Highlights: A Perfect Miracle

Nicht mein Fall: Here It Comes (the Road) Let's Go / Damaged / the Prize

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