Mittwoch, 5. September 2018

Jazz ist anders




















Es ist mittlerweile nicht mehr falsch, Ken Mode aus Winnipeg als echte Hardcore-Institution zu bezeichnen. Seit fast 20 Jahren machen sie inzwischen Musik zusammen, sechs Alben sind in dieser Zeit erschienen und auch ihre Split- und EP-Historie ist beachtlich. Der einzige Grund, warum sie deshalb noch nicht zu den ganz großen gehören ist vielleicht, dass sie über all diese Zeit immer ein kleines bisschen ihren Querkopf behalten haben. In der Schulklasse des modernen HC sind die immer das quengelnde Kind gewesen, das eigentlich kein übler Typ war, aber tote Frösche mit in den Unterricht brachte und seine Popel futterte. Ihre Platten passen traditionell in kein Szene-Schema, haben irgendwie einen schwierigen Charakter und brechen stilistisch auch gerne ein wenig aus. Nicht unbedingt klanglich, aber in der eigentlichen Idee. Unter anderem deshalb werden sie schon immer gerne mit Acts wie Refused verglichen, die ein ähnlich komliziertes Verhältnis zum Genre-Mainstream haben. Und unter anderem deshalb sind sie eine der Hardcore-Bands, die mir, seit ich sie kenne, ganz besonders zugesagt hat. Ihr letztes Album Success war eines der wenigen wirklichen Highlights, die in den letzten Jahren aus dieser Richtung kamen und ist eine LP, die ich noch immer sehr empfehlen kann. Ebenso wie Loved, ihr neuestes und damit drittes Werk beim Heimlabel Season of Mist. Die Querköpfigkeit, von der ich gerade sprach, ist dabei auch hier deutlich spürbar. Zwar in wenigen Momenten so klar wie im zweiten Stück the Illusion of Dignity, das mit einem ausgiebigen Free Jazz-Part beendet wird, doch immer irgendwie unterschwellig. Alle neun Tracks hier sind kompositorisch sperrig, zwischen diversen Parts zerfranst und mit scharfen Kanten versehen, aber eben auch sehr groovig. Und das eben weniger im Sinne Mosh-freundlicher Breakdowns, sondern eher durch kompliziertes Riffing, spielerische Hakenschläge und ein Songwriting, das eher an Mathrock-Bands wie Pauwels oder Shellac erinnert. Auch die Sache mit dem Jazz-Saxofon ist übrigens eine, die man an mehrerern Stellen hier wiederfindet. Welche Taktart die Kanadier spielen, ist dabei ebenfalls manchmal nicht wirklich zu entschlüsseln. Das ist aber egal, denn durch diese Komplexität ist auch keiner der Songs vorhersehbar, geschweige denn langweilig. Von der Formelhaftigkeit vieler Core-Künstler*innen lösen sich Ken Mode hier effektiv wie immer und spielen dabei zum wiederholten Mal eine Platte ein, die weder alte Stilmittel durchkaut, noch sich experimentell verheddert. Zugegeben, eine wirkliche Überraschung ist das mittlerweile nicht mehr, aber drei Jahre nach dem letzten Album auch mal wieder ganz schön. Und obwohl ich sagen würde, dass Success im Endeffekt doch das bessere Gesamtergebnis war, steht Loved ihm doch nicht in vielen Dingen nach. Vielleicht ist es tatsächlich nur der Glanz des Neuen, den die Band jetzt nicht mehr für mich hat, der den Vorgänger besser macht. Als an wirklich kreativem Hardcore interessierter Mensch sollte man sich diese LP auf jeden Fall nicht entgehen lassen, sowie eigentlich den gesamten Katalog von Ken Mode (oder zumindest die Sachen bei Season of Mist). Es könnten einem da durchaus neue Türen aufgestoßen werden.






Persönliche Highlights: Doesn't Feel Pain Like He Should / Feathers & Lips / Not Soulmates / Very Small Men / This is A Love Test / No Gentle Art

Nicht mein Fall: -

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