Montag, 10. September 2018

Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle





















Es gibt sicherlich viele Dinge, die man von einem Album wie 1982 im Vorfeld erwartet hat: Das deutschsprachige Watch the Throne, ein nostalgisches Projekt zweier alternder Mainstream-Rapper, eine musikalische Zusammenkunft von Freunden oder vielleicht auch nur eine Gelegenheit für Casper und Marteria, mal wieder richtig Kasse zu machen. Wenn man mich persönlich fragt, dann war ich diesem Album jedoch von Anfang an ziemlich wohlgesonnen. Einfach aus dem Grund, weil diese Platte für beide Künstler mal wieder etwas anderes war und zumindest in gewisser Weise einen Ausbruch aus der Routine ihrer etwas lahm gewordenen Solokarrieren bildete. Wo der eine seit seiner Zum Glück in die Zukunft-Reihe für meine Begriffe ein bisschen zu sehr Rap-Onkel geworden ist, ist der andere zwar noch immer recht unberechenbar unterwegs, hat mit Lang lebe der Tod letztes Jahr aber eine der in meinen Augen größten Enttäuschungen der jüngeren Deutschrap-Geschichte veröffentlicht. Und obwohl beide die ganze Zeit über auch durchaus spannende Nebenprojekte am Start hatten, hatten sie ganz prinzipiell das gleiche Problem: Sie arbeiteten nur noch ihrem eigenen Mythos hinterher und wurden unter dem Druck, damit auch noch höllisch erfolgreich zu sein, mehr und mehr zu Songwriting-Maschinen. Sie nun für ein gemeinsames Album zusammenzuhauen, klang da eigentlich erstmal wie eine blöde Idee, doch es war genauso gut möglich, dass genau daraus eine neue Fruchtbarkeit entstand. Marteria kann von Casper den Hunger wieder erlernen, den seine Musik zuletzt einfach nicht mehr hatte, wohingegen Casper von Marteria lernen kann, endlich mal wieder einen gescheiten Sechzehner zu schreiben. Beide Künstler haben in der Rap-Szene einen sehr deckungsgleichen Erfahrungshorizont und sind außerdem schon lange befreundet, ein gegenseitiger gut gemeinter Arschtritt lag da durchaus im Bereich des Möglichen. Und zunächst sag es auch so aus, als wäre genau das der Fall: Wenn man sich die Leadsingle Champion Sound vor einigen Monaten anhörte, hatte man tatsächlich das Gefühl, hier zumindest wieder etwas mehr Herzblut bei den beiden zu hören. Jeder von ihnen hatte in diesem Song einen verdammt guten Part und auch wenn die Hook etwas sehr Chart-orientiert war (Probs an dieser Stelle für diesen jetzt schon legendären "wie ein Champiöööön!"-Ausraster), war das hier sowohl für Casper als auch für Marteria einer der besten Tracks der letzten Jahre. Leider ist das für den Rest dieses Albums meistens nicht der Fall. Zwar begeben sich beide Rapper hier durchaus aus ihrer eigenen Komfortzone heraus, aber auch nur, um mal eben für drei Minuten in die die des jeweils anderen zu schlüpfen. So ist ein Stück wie Adrenalin quasi der etwas bessere Zwilling von Caspers Sirenen, Willkommen in der Vorstadt erinnert an Bengalische Tiger, Supernova an Lila Wolken und Denk an dich an ein paar der Deep Cuts auf XOXO. Daneben gibt es noch ganz komische Sachen wie Chardonnay & Purple Haze, das die zwei anscheinend aus dem Textbuch von Trettmann geklaut haben oder Absturz, das mit Monchi und Autotune zwei Elemente vereint, die ich in hundert Jahren nicht erwartet hätte, und so richtig ist das alles nichts. Wenn man nach ganz klassischen Rap-Standards geht, kann man natürlich sagen, dass hier jeder Mal eine handvoll Songs mit richtig guten Strophen hat. Allerdings sind gerade diese beiden ja dafür bekannt geworden, dass sie musikalisch über dieses Niveau hinausgehen und auch viel Aufwand in Dinge wie Klang, Komposition und Stimmung investieren. Auf 1982 hört man davon wenig, eher klingen Casper und Marteria wie zwei alternde MCs, die mit knackigen Trap-Beats und nostalgischen Partysongs nochmal versuchen, so richtig krass zu sein. Ganz abgesehen davon, dass diese Form hedonistischer Popmusik von keinem der Beiden wirklich eine Stärke ist, bleibt das ganze sehr oft auch ziemlich oberflächlich. Am besten ist diese LP immer dann, wenn es um tatsächlich passierte Geschichten aus dem Leben der beiden geht und man das auch merkt. Aber oft wirken die Sachen, die hier sonst erzählt werden, eher sehr gestellt und irgendwie formelhaft. Und wer jetzt meint, dass andere Rapper das ja auch tun würden, der hat scheinbar vergessen, dass diese beiden eben nicht so sind wie andere Rapper. Oder das zumindest mal sein wollten. Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Denn was 1982 am Ende ist, ist wieder ein Album mit durchschnittlich guten Hits, die fürs Radio taugen und vor allem live ordentlich brettern (Am vergangenen Montag in Chemnitz konnte man das eindrucksvoll erleben). Die künstlerische Leidenschaft dieser beiden bleibt hier aber nach wie eher ein Phantomschmerz, den man als Hörende*r bestenfalls erahnen kann. Casper und Marteria müssen sowas ja nicht mehr machen, weil sie jetzt große Nummern sind und keine Sorgen mehr haben. Ihr wisst schon, wie ein Champiööön!







Persönliche Highlights: Champion Sound / Omega / Denk An Dich / 2018

Nicht mein Fall: Supernova / Willkommen in der Vorstadt / Adrenalin

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